2. Advent 2020
Wenn es himmelhoch gibt, muss es auch das Gegenteil geben.
Erdentief – oder wie auch immer wir es nennen mögen.
Wir denken in Gegensätzen, sie sind uns vorgegeben:
oben und unten, hell und dunkel, kalt und heiß, gut und schlecht.
Fast könnte man meinen,
sich auch religiös auf derartige Gegensätze berufen zu können:
Gott und Teufel, Himmel und Hölle.

Wir leben in der Spannung von Plus und Minus, Alltag und Sonntag,
wachen und schlafen, Licht und Schatten, schwarz und weiß.
Wenn es da nicht die vielen Grautöne gäbe, die Übergänge,
das nicht so genau zu unterscheiden mögliche.
Divers nennen wir seit einigen Jahren
eine dritte Geschlechtsoption neben weiblich und männlich,
eine Wirklichkeit, die es immer schon gab, aber jetzt diese Bezeichnung hat.
Was, wenn doch nicht alles so eindeutig ist?
Gott nicht nur in der Höh ist, nicht nur der Himmel Sein Raum?

Irgendwie glauben wir das ja mit Weihnachen,
dass der Himmel auf die Erde gekommen ist,
dass Gott nicht der Ferne ist.
Wir glauben sogar noch mehr:
dass es auch keine Unterwelt mehr gibt, kein Totenreich,
denn dahinein ist Christus gestiegen –
und es wird kein Spaziergang gewesen sein,
sondern es will sagen:
es gibt keinen Ort, der nicht erfüllt wäre von der Gegenwart Gottes.
In der Apostelgeschichte sagt Paulus:
In ihm, in Gott, leben wir, bewegen wir uns und sind wir.
Gott und Mensch hören damit auf, Gegensätze zu sein,
einander gegenüberstehend, voneinander getrennt.
Wir stehen nicht vor Gott, wie wir voreinander stehen,
wir sind in Ihn hinein genommen – und umgekehrt:
wir glauben, dass Sein Geist in uns ist.

Der 1945 im Gefängnis in Berlin-Plötzensee erhängte Alfred Delp schreibt:
„Die Welt ist Gottes so voll.
Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen.
Wir aber sind oft blind.
Wir bleiben in den schönen und bösen Stunden hängen
und erleben sie nicht durch bis an den Brunnenpunkt,
an dem sie aus Gott herausströmen.
Das gilt für alles Schöne und auch für das Elend.
In allem will Gott Begegnung feiern
und fragt und will die anbetende, hingebende Antwort.“

„Tu dich auf, Erde und sprosse den Heiland hervor!“
lautet ein alter adventlicher Ruf.
Er lebt von der Vorstellung, dass der Heiland nicht vom Himmel kommt,
sondern aus der Erde.
Ein bedeutender Theologe, Nikolaus von Kues sagt im 15. Jahrhundert:
„Gott ist der Zusammenfall der Gegensätze.“

Himmelhoch – erdentief.
In Jesus ist Himmel und Erde, Tod und Leben.
Menschen erleben Ihn wie von einem anderen Stern, wie vom Himmel,
und sie erleben Ihn als Bruder, als Mensch an der Seite.

„Wir aber sind oft blind.“ schreibt Alfred Delp.
Glauben heißt: sehend werden –
und Licht und Dunkel hören auf, Gegensätze zu sein.

Ein Schüler fragt seinen Rabbi: Sag mir, wo Gott ist!
Darauf antwortet der Rabbi: Sag mir, wo Er nicht ist!

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