2. Fastensonntag B 2021 Gn 22,1-2.9a10-13.15-18
Abrahams Opfer.
So oft ich diese Geschichte höre, um so stärker finde ich sie.
Abraham, den wir Glaubensvater nennen, steht für eine Entwicklung.
Was ist das für ein Mann, der es für möglich hält,
er müsse das Liebste, was er hat, seinen eigenen Sohn, opfern?
Tausende von Jahren trennen uns von ihm;
wir tauchen ein in eine archaische Zeit,
in der die Israeliten bei den Kanaanitern, mit denen sie zusammen lebten, sehen, wie diese ihren Göttern Kinder opferten.
Abraham schafft es, sich von dieser Vorstellung zu befreien,
in dem er erfährt und bekennt:
das kann nicht der wahre Gott, der Gott Israels sein, der Opfer fordert,
der Versöhnungsgaben braucht, Liebesbeweise, Proben und Prüfungen,
das wäre ein Moloch.

So sehr uns Jahrtausende von Abraham trennen,
im Fahrwasser, das Liebste zu riskieren, es aufzugeben,
finden sich Menschen immer wieder vor,
etwa, wenn ein Beruf mehr und mehr Zeit fordert und auffrisst,
Beziehungen dadurch brüchig werden und sterben,
oder der eigene Ehrgeiz Oberhand gewinnt
und die Gesundheit dabei auf der Strecke bleibt.
Der Weg nach oben, auf den Berg, fordert Opfer.
Manche werden unmenschlich auf diesem Weg, kalt, eiskalt,
gehen über Leichen,
nur um in der Gunst eines anderen zu steigen.

Abraham steigt aus.
Der Gott, zu dem er sich bekennt, ist nicht der,
der ihm das Liebste nimmt;
er ist nicht der, der fordert, sich „ins eigene Fleisch“ zu schneiden.
Dicht zusammengepresst lesen wir in dieser Geschichte
von einem Klärungsprozess:
wer und wie ist der Gott, auf den Abraham baut?

Wenn ich in die gegenwärtige Kirchengeschichte schaue,
sehe ich ähnliche Klärungsprozesse, die letztlich in der Frage münden:
mit welch einem Gott sind wir unterwegs?
Steht er in Konkurrenz zum Menschen,
sowie Paulus im ersten Korintherbrief dachte,
wenn er schreibt: der Unverheiratete will dem Herrn gefallen,
der Verheiratete will seiner Frau gefallen?
Niemand würde das heute so sagen, es regt sich Widerstand in uns;
und wer mit ähnlichen Argumenten
etwa eine berufsbedingte Ehelosigkeit einfordert oder verteidigt,
muss sich die Frage stellen lassen,
welch einem Gott er da Raum zu geben versucht.

Manch drängende Fragen,
die im Rahmen des Synodalen Weges diskutiert werden,
die Frage nach der Weihe von Frauen,
das Aufeinanderprallen der kirchlichen Lehre
und der humanwissenschaftlichen Erkenntnisse
in vielen Fragen der Sexualmoral stellen sich anders,
würden wir uns wie Abraham auf Klärungsprozesse im Glauben einlassen.
Letztlich geht es immer um die Frage:
was ist das für ein Gott, dem wir glauben?
Was hat Er im Sinn?
Und was von allem Geglaubten ist menschlich nachvollziehbar, passt noch?
Bleibe ich – im Bild dieser biblischen Geschichte gesprochen –
bei den Kanaanitern stehen, bei einem Moloch,
oder kommt immer mehr der Gott Israels durch,
der der Menschen Heil sein will?

Abraham erfährt,
was für ihn und sein Glaubensleben nicht mehr zusammengeht.
Der Erzählweise nach wird er sogar dazu gezwungen und erkennt:
die Altäre seines Gottes fordern keine Menschenopfer
und keine menschlichen Opfer.
Seine Gunst, Seine Zuwendung steht uns offen, weil Er es will,
wir müssen nichts dafür hergeben.
Dieser Glaube macht ihn stark und seine Nachkommen zahlreich,
soll heißen: dieser Glaube hat Zukunft.

so gehalten in den Gottesdiensten.

Hier möchte ich deutlicher werden und fragen:
gründet der Zölibatsgedanke letztlich nicht in der Annahme eines Moloch Gottes, der das Opfer des Verzichtes einer Beziehung und einer ausgelebten Sexualität fordert?
gründet der Ausschluss von Frauen aus kirchlichen Diensten und Ämtern letztlich nicht in der Annahme eines Moloch Gottes, der das Opfer des Verzichtes auf weibliche Begabung und Charismen fordert?
gründet die kirchliche Lehre zur Homosexualität letztlich nicht in der Annahme eines Moloch Gottes, der das Opfer des Verzichtes ausgelebter Sexualität und Paarbeziehung fordert?
gründet die kirchliche Lehre zur geschlechtlichen Identität letztlich nicht in der Annahme eines Moloch Gottes, der das Opfer des Verzichtes von innerem Empfinden und äußerem Erscheinungsbild fordert?

Stark wurde Abraham und seine wurden Nachkommen zahlreich, weil sich ihr Glauben klärte und menschlich ansprechend wurde; noch schwächer wird unsere Kirche, wenn sie im Glauben an einen Moloch verharrt.

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