2. Sonntag nach Weihnachten A 2020 Joh 1, 1-18
Worte haben Macht.
Sie können schärfer als ein Schwert sein, verletzen, zerstören.
Wir kennen die Formulierung vom totreden.
Was einmal gesagt ist, ist in der Welt. Unwiderruflich.
Aus unserem Alltag kennen wir das gelangweilte Geschwätz,
das Plappern, das Lästern, das Lügen, das Schädigen durch Worte,
den Rufmord.
Nie wurden so viel Worte gemacht wie in unserer Zeit:
gedruckte Worte, die Worte in den Chatrooms, den sozialen Medien
und nach wie vor die Worte beim Tratsch, beim Kaffeeklatsch.
Und dann erleben wir das andere auch:
das Ringen um Worte. Was sagt man, wenn man nichts sagen kann
und das Schweigen spricht?
Wie kann man sich ausdrücken,
um unmissverständlich verstanden zu werden?
Wie finde ich die passenden Worte für das, was ich denke,
fühle, wahrnehme?
Manche Streitereien entstehen, weil wir aneinander vorbeireden,
weil Worte unterschiedliches Gewicht haben können,
unterschiedliche Schwere.
Wie kann man sich verständlich machen?
In Worte bringen, was sich schwer in die Seele hineingedrückt hat,
wofür keine Sprache da zu sein scheint?
Manchmal leihen wir uns Sprache, Worte bei den Dichterinnen und Dichtern,
in Geschichten und Liedern, im Gebet.
Sie helfen, sie überbrücken, sie dienen.
Wie wohltuend, wenn wir sagen können:
da drückt jemand aus, was ich denke,
da finde ich formuliert, was ich sonst nicht zu sagen wüsste.
Wir finden einen Sprachschatz vor, auch wenn er ungenügsam ist.
Mitunter spüren wir es in den Gebeten,
wenn uns die eigenen Worte fehlen, und uns auch die Worte anderer
nichts sagen, wie eine Fremdsprache erscheinen.
Wir leben in der Spannung der Wortwahl, der Wortfindung.
Manche Worte, die Jahrhunderte lang im religiösen Alltag geläufig schienen,
entsprechen unserem Glauben nicht mehr oder bedürfen einer Übersetzung:
Allmacht etwa, Herrscher, Herr, Schaf, Opfer, Genugtuung, Erlösung.
Es geht ins Innerste, wenn Sprache und Sprachgefühl sich ändern.
Der Evangelist Johannes scheint dies geahnt zu haben.
Sein eben gehörter Prolog ist zwar nicht unbedingt leicht verständlich,
aber dennoch versteht man auf Anhieb die hohe Bedeutung,
die er dem Wort beimisst.
Das größte Wort, das klarste, das eindeutigste, das sprechendste,
das weiseste, das kräftigste, das alles ins Leben rufende,
das immer schon da seiende Wort nennt er Gott.
Er verschweigt nicht, dass es nicht leicht zu verstehen ist, das Gotteswort,
das Wort, das Gott ist,
wenn er sagt: die Welt erkannte ihn nicht.
Auch wir sind Welt,
und darum ist ein Eingeständnis ehrlich, wenn wir sagen,
dass wir Gott nicht verstehen;
dass es vielleicht sogar überheblich ist zu sagen,
wir hätten Ihn aufgenommen.
Stattdessen lesen wir diesen Prolog lieber als gegenwärtigen Text,
nicht als einen, der Vergangenheit beschreibt:
das Wort WIRD Fleisch, Gott ist dabei, sich auszudrücken,
Er sucht unsere Sprache, unsere Zeit, unser Zeitgefühl.
Fleisch, die Weise also, wie sich Gott ausdrückt,
ist das jetzt Augenblickliche, das nicht lange Haltbare,
das Momentane.
Im Augenblick drückt Gott sich aus,
was vergangen ist, ist vergangen.
Es zu bewahren hieße, es einzuschließen, haltbar zu machen,
es seiner Natürlichkeit berauben.
Worte entfalten ihre Kraft im Sprechen, im Moment.
Genauso ist es mit Gott, meint der Evangelist Johannes:
Gott ist im Augenblick. Jetzt. Das zählt.