Ein umgestoßener Tisch.
Chaos.
Da ging es zur Sache.
Viel Leidenschaft. Wut. Zorn.
Jesus kann sich nicht mehr halten. Es haut Ihn um. Er ist verletzt.
Er sieht etwas in den Tempel eingezogen, was da nicht hin gehört.
Hier wird gezählt und gerechnet, es geht um Geschäfte, es wird verdient. Eher Kaufhaus als Tempel. Eine Markthalle.
Kein Ort der Gottesbegegnung.
Wer will hier in all dem Trubel zu sich kommen,
geschweige denn im Wirrwarr menschlicher Stimmen
die Stimme Gottes hören?
Gebet und Geschäft, Glaube und Gewinn passen für Jesus nicht zusammen.
Er räumt auf.
Er stößt nicht nur die Tische um,
Er spricht von sich als den Tempel, als den Ort der Gottesanwesenheit. Denn das ist Sein Anliegen: Gott und Mensch zusammen zu bringen. Darum erzählt Er Gleichnisse, darum spricht Er von Sünden los: Gottes Barmherzigkeit soll aufleuchten.
Gelingt uns das als Kirche, als Christen,
Gottes Barmherzigkeit aufleuchten zu lassen?
Oder denken wir nicht vielfach:
es hat sich so viel in den Vordergrund gedrängt, in den Weg gestellt, es liegt so viel auf dem Tisch,
was diese Barmherzigkeit verdunkelt?
Wenn heute immer weniger Menschen Gott in den Kirchen,
in der Gemeinschaft der Glaubenden erfahren oder auch nur suchen: sind dann nicht all unsere Tische damit umgestoßen?
Die vielen Kirchenfragen oder Themen:
Vertuschungsvorwürfe bei der so schleppenden Aufklärung
sexuellen Missbrauchs
und ein damit einhergehender riesiger Vertrauensverlust;
die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern,
geweihten und nicht geweihten Menschen;
die Unfähigkeit oder der Unwille,
zeitbedingte Glaubenssätze neu zu formulieren
mit Blick auf hinzugekommene theologische Erkenntnisse
und die Menschen heute:
sie stehen vielen im Weg und gehören endlich ausgeräumt.
Jesus vertreibt.
Er stört den regulären Ablauf des Tempelkultes.
Nicht nur an diesem einen Tag.
Viele werden gedacht haben: Der macht uns unser Geschäft kaputt;
mehr noch: Der tastet unsere heiligsten Traditionen an,
unser Bemühen, Gott gnädig zu stimmen.
Wenn es keiner Opfer bedarf, dann ist ja ganz viel überflüssig.
Aber Jesus geht noch weiter.
Als Er später im Gespräch mit der Frau am Jakobsbrunnen gefragt wird,
wo man Gott anbeten soll, antwortet Er:
„Die wahren Beter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit.“ Eine Relativierung der besonderen Räume, auch der Kirchenräume.
Glaube und Beten sind Herzenssache:
wo Herz und Herzlichkeit zu spüren sind, begegnet Gott.
Überall möglich.
Überall nötig.
Darum finden wir in den Evangelien ganz viel weltliche Orte,
wo Jesus auftaucht:
Marktplätze, Seen und Berge, Gastmähler und Feste.
Jesus ordnet neu.
Er verweist auf sich selbst, den Tempel Seines Leibes.
Ein Mensch wird zum Ort der Gottesbegegnung:
dieser einzigartige, dieser herausragende und klare,
aber – welch ein Erbe – auch alle, die sich auf Ihn berufen –
so die spätere Deutung aller Getauften als
zu Priestern, Königen und Propheten Gesalbte,
Priesterinnen, Königinnen und Prophetinnen.
Im O Ton Jesu klingt es viel einfacher, fast überzeugender:
ich bin zu finden in dem, der deine Hilfe, der dich am meisten braucht. Da bist du selbst gefragt,
kein Almosen, kein Opfer, kein Gegenstand, aber Dein Herz.
Das Tempel sein ist entscheidend,
nicht das in den Tempel gehen.
Oder weniger pointiert formuliert:
der Tempel, das Kirchenhaus erfüllt seinen Zweck,
wenn es dir Hilfe ist, Gott im Alltag aufleuchten zu lassen.