Wort des Pastoralteams des Pastoralverbundes Hamm-Mitte-Osten
anlässlich des Gremienbriefes an den Erzbischof von Paderborn
und des darauf hin stattfindenden Gespräches
in dieser nach Erneuerung schreienden kirchengeschichtlichen Zeit
Im November des vergangen Jahres hat es ein Visitationsgespräch
mit Weihbischof König und dem Pfarrgemeinderat
sowie den beiden Kirchenvorständen gegeben.
In dem Gespräch kam die derzeitige Situation der Kirche zur Sprache:
das nach wie vor erschütternde Thema des Missbrauchs,
die Rolle der Frau in der Kirche, Fragen der Sexualmoral,
sowie soziale und ökologische Fragestellungen.
Der Faden dieses Gespräches wurde von den genannten Gremien
noch einmal aufgegriffen in einem Brief an den Erzbischof,
der dann kurz vor Rosenmontag Gremienverterinnen und Gremienverteter
zu einem Gespräch ins Bischofshaus eingeladen hat.
Der Brief an den Bischof und eine kurze Zusammenfassung
des Gespräches liegt im Schriftenstand zur Mitnahme aus.
Darüber hinaus möchten wir als Pastoralteam an diesem Sonntag
noch einmal die Anliegen aufgreifen.
Wir teilen die Fragen der Gremien vollumfänglich
und sind entsetzt über das Ausmaß von Machtmissbrauch in unserer Kirche,
das nach und nach zutage tritt:
der sexuelle Missbrauch an Kindern und Jugendlichen
aber auch an Ordensfrauen,
der jahrzehntelange verharmlosende Umgang der Kirche mit diesem Thema und das Übersehen der Opfer,
aber auch der Machtmissbrauch auf geistiger Ebene,
indem massiv mit Angst gearbeitet wurde,
Menschen viele Gedanken und Fragen sich nicht auszusprechen trauten.
Einschüchterung, Verharmlosung, nicht ernst nehmen,
bloßes Einfordern von mitunter blindem Gehorsam.
Es tut uns weh, mit anzusehen, welch ein Leiden das hervor gerufen hat.
Das kann uns nicht einfach so weiter machen lassen,
es ist mehr als ein Schrei nach Unterbrechung und inne halten.
Wir sehen, wie die Zahl der Kirchenaustritte massiv steigt –
und dies auch, weil immer deutlicher wird,
wie vieles in der Kirche im argen liegt, ungelöst ist
und immer noch keine Sprache gefunden hat oder finden darf.
Das macht uns selbst vielfach sprachlos.
Mit Ihnen, die Sie hier sind und sich der Kirche verbunden fühlen,
halten wir für die Kirche unser Gesicht hin
und fühlen uns teilweise sehr unwohl dabei.
Uns verbindet vermutlich,
dass wir dank der Kirche zum Glauben gefunden haben,
und finden uns jetzt in der Herausforderung,
dass wir uns diesen Glauben bewahren möchten
trotz vielfachen Fehlverhaltens und vielfacher Verbrechen in der Kirche.
Wir als Pastoralteam fühlen uns in manchen Fragestellungen
im Großraum Kirche nicht gehört, geschweige denn verstanden.
Es kostet Kraft, am Ball zu bleiben.
Wir haben unseren Beruf nicht der Bischöfe wegen ergriffen
sondern um der vielen Menschen in den Gemeinden wegen,
der zahlreichen Alltagsbegegnungen;
doch das Vertrauen in die Bischöfe,
endlich die notwendigen Schritte entschieden anzugehen,
das Vertrauen, dass die Not überhaupt bei ihnen ankommt,
ist noch nie so gering gewesen wie in diesen Tagen.
Wir schätzen die vielfältigen Beziehungen hier in unserem Pastoralverbund,
die bunte Vielfalt, das Engagement vieler einzelner,
die ehrenamtliche Mitarbeit.
Aber wir spüren auch, dass wir mit angezogener Handbremse fahren,
dass uns eine Loyalität zum Arbeitgeber mitunter Fesseln anlegt.
Mit Ihnen suchen wir nach der befreienden Botschaft des Glaubens,
die jeden Menschen so wahrnimmt, wie er ist
und die Zusage Gottes hörbar und erlebbar macht:
Du bist meine geliebte Tochter – Du bist mein geliebter Sohn.
Wir möchten Sie ermutigen, Ihrer Glaubensspur zu folgen,
denn sie allein zählt.
Wir können nicht die großen Lösungen anbieten für das,
was an anderer Stelle gelöst werden muss;
wir fordern es aber immer wieder ein.
Ein Studientag im Rahmen der Vollversammlung der deutschen Bischöfe
in der Woche nach dem 1. Fastensonntag hat zu drei Foren geführt,
die folgenden Fragestellungen gewidmet sind:
- die Frage nach dem Umgang mit Macht in der Kirche,
- die Frage nach der Zukunft der priesterlichen Lebensform,
und die Frage nach der Weiterentwicklung der kirchlichen Sexualmoral. - Wir möchten auch in unserem Pastoralverbund
in einer noch zu findenden Weise diese Themen aufgreifen.
Jemand hat einmal gesagt, er glaube in, mit und trotz der Kirche.
Alle drei Richtungen stimmen,
wenngleich derzeit wohl das „trotz“ überwiegt und schwer auszuhalten ist.
In der Zeit nach dem Missbrauchsgipfel in Rom war in der „Zeit“ zu lesen:
„Ja, meine Kirche steht in Flammen.
Doch ich lasse es nicht zu, dass sie runterbrennt bis auf die Grundmauern. Ich kann nicht, auch wenn ich mich kaum mehr erinnere,
warum sie mir mal Heimat war
oder wann ich aufhörte, sie zu lieben, wie sie ist. Aber sie ist mir nicht egal. Deshalb kritisiere ich sie. Ich sehe, wie sie sein könnte trotz allem.
Wäre es anders, kein Wort würde ich mehr über sie verlieren.“