10. So B 2018 Gen 3, 9-15
Es hört sich an wie ein aneinander vorbei reden:
Ausweichende Antworten auf gestellte Fragen.
Schon der Beginn der Bibel, schon ihre ersten Seiten
beschreiben den Dialog zwischen Gott und Mensch als nicht geglückt.
„Wo bist du?“ „Ich versteckte mich.“
„Hast du von dem Baum gegessen?“ „Die Frau hat mir gegeben.“
Das Ausweichen des Adam drückt aus,
dass es nicht nur Verständigungsschwierigkeiten gibt
zwischen Gott und Mensch,
das gesamte Verhältnis des Menschen zu Gott ist getrübt.
Die Bibel ist kein Geschichtsbuch.
Was sie in ihren wesentlichen Texten beschreibt,
sind Erfahrungen mit Gott, der Welt und den Menschen,
die immer gelten, die Wesentliches aussagen:
Immerhin hören wir eine grundsätzliche Frage Gottes an den Menschen:
Wo bist du?
Diese Frage ist dir und mir, ist jedem Menschen gestellt.
Wo bist du? Wo stehst du?
Eine Ortsangabe als Antwort wird der Frage nicht gerecht.
Abgesehen davon, dass man annehmen darf,
dass Gott schon darum weiß, wo wir Menschen sind.
Er fragt nicht, was Er selbst nicht wüsste;
Er fragt, weil wir es nicht wissen,
Er fragt, damit aus unseren Unklarheiten Klarheiten werden.
Wo bist du?
Wo siehst du dich stehen in deinem Leben?
Wo und womit hältst du dich auf?
Die Bibel beschreibt uns im Bild des Adam so,
dass wir uns mit der Frage schwer tun und ausweichend antworten,
dass wir uns regelrecht verstecken.
Denn die Frage Gottes: Wo bist du? ist eine Verhältnisfrage.
Wo bist du, wo stehst du im Verhältnis zu Gott?
Lässt du Ihn an dich heran oder verbirgst du dich?
Ist es dir angenehm, wenn Gott dich in deiner ganzen Blöße wahrnimmt?
Auch hier geht es weniger um die Frage der Kleidung;
hier geht es um das Ungeschützte, das Unverborgene,
das Unbeschönigte, um die ungeschminkte Realität deines Lebens:
möchte ich etwas vor Gott verborgen halten – und wenn, warum?
Wo bist du?
Von Anfang an hören wir von einem nachfragenden,
von einem nachgehenden Gott, der sich an den Menschen wendet,
der ihn mit seiner Frage aufsucht, weil wir Ihm am Herzen liegen.
Wo bist du?
Diese Frage will den verlorenen Menschen zu sich selbst bringen;
sie will ihn nicht bloßstellen,
sondern ihm helfen, zu sich und zu seiner ungeschminkten Wirklichkeit zu stehen.
Wir lernen unter den Augen Gottes
einen realistischen Blick auf uns selbst.
Niemand kann sich nicht hinter Bäumen, anderen Menschen
oder Schlangen verstecken.
Wo bist du?
Oft haben wir Gott gegenüber diese Frage auf den Lippen
oder im Herzen;
wir fragen und rufen nach Gott: Wo bist du?,
weil wir Ihn brauchen, weil wir seine Nähe suchen.
Die Bibel beschreibt uns Gott als den,
der diese Frage nach den Menschen stellt,
längst bevor dieser in seiner Verlorenheit nach Gott fragt.
Es gibt nicht nur die Sehnsucht des Menschen nach Gott,
es gibt ebenso die Sehnsucht Gottes nach dem Menschen.
Und beide, Gott und Mensch, kommen in Jesus zusammen,
und die Hoffnung wächst,
dass das Ausweichen des Menschen ein Ende hat
und der Dialog zwischen Gott und Mensch endlich glückt.