5. Osterso A 2020 Joh 14,1-12
Euer Herz lasse sich nicht verwirren.
Dennoch geschieht es: Verwirrung.
Wie denn auch nicht?
Unser kompliziertes Leben: wie da einen Überblick bekommen?
Wie verbindlich wissen, was richtig oder falsch ist?
In diesen Wochen und Monaten erleben wir Ringen um richtig und falsch,
in diesen Wochen merken wir, wie wenig wir wissen,
wie anfällig unser Leben ist.

Wie Thomas wollen wir den Weg wissen: den Weg Gottes in der Welt.
Und schon stehen sie auf der Matte:
Menschen, die Antworten haben und Ratschläge,
Menschen, die alles, was geschieht, in gerader Linie auf Gott zurückführen.
In den 80 er Jahren predigten Rechtskonservative,
unter ihnen der damalige Bischof Dyba aus Fulda, Aids als Strafe Gottes,
und wenn heute Kirchenvertreter betonen müssen,
Corona sei keine Strafe Gottes,
dann doch deshalb, weil diese Sicht immer noch vertreten
bisweilen gar angedeutet oder ausgesprochen wird.

Euer Herz lasse sich nicht verwirren.
Wir können das, was in der Welt und in unserem Leben geschieht,
nicht begründen.
Wir fragen zwar nach dem Warum,
schreien es heraus wie Jesus am Kreuz,
aber das Schweigen Gottes steht für die Unmöglichkeit einer Antwort.
Möglicherweise kommen wir manchen Krankheiten auf die Spur,
möglicherweise lüften wir manche Geheimnisse der Natur,
aber die grundsätzlichen Fragen bleiben.
Das, was ist, und warum es so ist, wie es ist, wissen wir nicht.
Wir finden das Leben, wie es ist, vor;
ebenso, wie wir uns selbst, wie wir sind, vorfinden.

Wenn wir in aller Begrenztheit Freiheit haben, etwas Freiheit,
dann ist es eine Gestaltungsfreiheit:
Wie fülle ich meine – mir gegebenen – Tage mit Leben?
Und mit welchem Leben? Was erscheint mir als dauerhaft gut?
Wie finde ich in dem, was ist, eine Spur Gottes?
Genau darum sind in solchen herausfordernden Zeiten wie diesen
Menschen immer auch geneigt, das Beste aus der Zeit herauszuholen,
zu sehen, was alle Einschränkungen positiv bewirken können:
eine neue Form der Achtsamkeit und des Miteinanders,
ein tieferes Schätzen des Alltags und der Alltäglichkeit,
ein Überdenken des eigenen Lebensstils und der Nervosität,
die manchen beruflichen Alltag prägt,
die Klärung dessen, was wir notwendig zum Leben brauchen und was nicht.
Auch die Frage der Gottesbeziehung stellt sich in Krisenzeiten neu,
radikaler.

Man kann immer nur für sein eigenes Leben eine Deutung finden:
diejenigen, die in diesen Wochen vom Tod bedroht sind,
oder in kleinstem Kreis den allernächsten Menschen begraben mussten,
werden eben nicht das Beste aus diesen Zeiten herausholen können.
Es gibt verschiedene Wirklichkeiten,
und jede und jeder lebt und erlebt anders.

Darum vielleicht
gibt Jesus keine Wegbeschreibung auf die Frage des Thomas,
woher der Weg geht, der zu Gott führt;
eine Beschreibung, die jede und jeder nur in gleicher Weise
einzuhalten und zu befolgen hätte;
darum vielleicht verweist Jesus auf sich selbst.
Denn eine Beziehung von Person zu Person ist individuell,
aufeinander abgestimmt, schert nicht alle über einen Kamm,
sie eröffnet im Miteinander den Weg.

Als Joseph Kardinal Ratzinger
noch Präfekt der römischen Glaubenskongregation war,
wurde er einmal gefragt: Wie viele Wege zu Gott gibt es?“
Seine Antwort:
„Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt.“
Selbst der, der in Jesus DEN Weg sieht und findet,
geht ihn anders als andere, die auch in Jesus DEN Weg sehen:
eben auf die je eigene Weise, mit der je eigenen Geschichte.

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