Allerheiligen 2020
Manchmal erschließt das, was wir tun, auch das, was wir glauben.
Ich weiß gar nicht genau, warum,
doch den Allerheiligentag empfinde ich irgendwie als eine Zäsur im Jahr.
Vielleicht, weil es eindeutig auf den Winter zugeht,
vielleicht, weil immer deutlicher wird,
dass das Jahr nur noch wenige Wochen bereit hält;
vielleicht, weil der Allerheiligentag mit Besuchen
bei den Toten auf den Friedhöfen wie auch bei den Lebenden in den Häusern
verbunden ist, so dass man sagen kann:
Wir rücken zusammen, wir spüren, dass wir zusammen gehören.
Wir erinnern uns unserer Wurzeln, unserer Beziehungen, unserer Geschichte.
Wir rücken zusammen: ist das nicht auch ein Bild für den Himmel,
für das himmlische Jerusalem, das als Bild der Vollendung benannt wird?
Himmel bedeutet: zusammen rücken, zusammen gehören,
das Gefühl des gut aufgehoben seins.
Nichts von allem Erlebten ist verloren, nichts vergessen,
es hat einen guten Platz.
Unsere Geschichten sind aufbewahrt,
besser und ehrlicher als es unsere Herzen können.
Die Toten, Menschen, die vor uns gelebt haben so wie die, die mit uns leben,
prägen diesen Tag.
Wir leben damit, dass die Liebe vor dem Tod nicht halt macht,
dass die Liebe selbst nicht stirbt.
Mit unseren Bräuchen, mit unserem Gedenken, mit unseren Besuchen
bauen wir der Liebe ein Haus, geben ihr ein Zuhause.
Wir rücken zusammen, denn wir brauchen die Wärme der anderen,
nicht nur, wenn s draußen kälter wird;
auch weil unser Leben kalt ist, wenn es beziehungsarm ist.
Die vielen Lichter, die wir auf den Friedhöfen entzünden,
erzählen davon, wie sehr die, die dort ruhen,
unser Leben hell und warm gemacht haben,
und wie sehr die Erinnerung an sie immer noch zu wärmen vermag.
Sind wir da nicht schon beim ewigen Licht,
worum wir bitten, es möge ihnen leuchten,
denn für uns ist das von den Toten ausgehende Licht unauslöschlich?
Das, was wir in diesen Tagen tun, gibt Auskunft darüber,
was uns wichtig und bedeutsam, was uns unantastbar und heilig ist,
oder eben wer uns unantastbar und heilig ist,
weil von ihnen bleibend etwas ausgeht für uns,
weil sie nicht aufhören, mit uns zu kommunizieren.
Und darum reihen sich in die Schar der eigenen Oma, der eigenen Mutter,
des eigenen Vaters, des Ehemannes, der Ehefrau, des eigenen Kindes
auch weitere ein, die wir nicht gekannt,
aber die uns genauso etwas zu sagen haben:
eine hl. Elisabeth, ein hl. Martin, ein hl. Maximilan Kolbe,
eine hl. Maria Magdalena.
Und wir ahnen bei dieser bunten, großen und vielfach namenlosen Schar,
was wir meinen, wenn wir von Heiligen sprechen:
wir meinen kein perfektes Leben, nicht zwingend ein gelungenes,
auch nicht ein in jeder Situation vorbildliches Leben;
wir meinen eins, das nicht aufhört, uns etwas zu sagen und zu geben,
das nicht aufhört, uns anzurühren und anzusprechen,
das nicht aufhört, unseren Alltag zu erwärmen und zu erhellen.
Diese Gedanken und Gefühle, dieses Leben und Erleben
bringen wir mit Gott in Verbindung.
Wir feiern das, was das zeitliche Leben überdauert,
wir feiern die, die das zeitliche Leben überdauern.
Es ist mehr und größer, als unserer eigenes Herz ahnt und fühlt,
denn in dem Moment, in dem unser Herz aufhört zu schlagen,
wäre ja sonst alles vergessen.
Wir erleben das große Gedächtnis, das nicht vergisst,
das große Herz, das bewahrt,
das Licht, das ewig leuchtet,
und haben eigentlich keinen Namen dafür, kein Bild, keine Handhabe,
wohl aber einen Ruf, eine Adresse, eine Verheißung:
Gott.
„…und wie sehr die Erinnerung an sie (die Verstorbenen) immer noch zu wärmen vermag…“
Danke! Maria