C 7 2025 Lk 6, 27-38
„Liebt eure Feinde“ —
Haben Sie Feinde? Sind Sie jemandem Feind, feindlich?
Kriegsfronten sorgen dafür, wer Feind ist;
eine Grenzziehung regelt das schon.

Für manche ist der eigene Körper Feind.
Menschen bekämpfen sich selbst, ihren Leib,
empfinden ihn nicht als Freund, nicht als freundlich.
Feindschaft mit sich selbst entsteht:
mit dem eigenen Aussehen, mit den eigenen Verhaltensweisen,
mit der eigenen Figur, mit dem eigenen Leben.
Mitunter endet diese Feindschaft ebenso tödlich
wie die Feindschaft an der Front.

Liebt eure Feinde.
Kann man seinen Feind, den außer mir – den in mir, lieben?
Kann man den lieben, den ich hasse?
Den, der mir nicht gut will, den, der mir schadet, mich mobbt,
mich nur ausnutzen will?
Kann man den lieben, der mir Last und lästig ist?

Einen interessanten, einen aufschlussreichen Blick
auf Feindschaft oder Feindesliebe ist bei Erich Fried zu finden.
Dieser jüdische Poet wurde einmal gefragt,
wie er einen Neo-Nazi definieren würde. Er, der Jude, antwortete:
„Ein Neo-Nazi ist ein Mensch,
der unter Zahnschmerzen leiden kann wie ich selber;
der Liebeskummer haben kann wie ich selber
und der weinen kann wie ich selber.“
Erich Fried hat wohl noch einiges andere gesagt,
aber zunächst hat er
die Gleichheit eines solchen Menschen mit sich selbst festgestellt.

Mit Abgrenzungen und Ausgrenzung, mit Diffamieren beginnt es immer:
Im Dritten Reich wurden Juden, Behinderte, Homosexuelle, Sinti und Roma
nicht einfach vernichtet.
Man hatte sich und andere darauf vorbereitet
und abwertende Bezeichnungen gefunden, die ausdrückten:
Die sind nicht wie wir.
Juden wurden „Parasiten und Schmeißfliegen“ genannt,
Kranke „Minusvarianten“, Lesben und Schwule
„Schädlinge am Volkskörper“.
Heute erleben wir, ganz in der Nähe, in Lippstadt am vergangenen Samstag,
wie ein AfD Landtagsabgeordneter, übrigens ehemaliger Oberstudienrat,
Omas gegen Rechts als „abgewrackte Schabracken“ bezeichnet.
Eine Partei, die von Frauen möglichst viele Kinder will
und Menschen in Regenbogen- oder Patchworkfamilien diffamiert
und sie als Ergebnis eines gescheiterten Versuchs,
eine normale Familie aufzubauen, sieht.
Abgrenzen, zunächst in Worten, dann in Werken.

Der Blick auf die Gleichheit unter Menschen geht in der Feindschaft verloren;
ich sehe nicht mehr das, was verbindet, ich sehe nur das Unterscheidende:
das, was beim anderen so ist,
dass es nicht in meine Anschauungswelt hineinpasst,
sowie das, was bei mir so ist,
dass es offensichtlich in die Anschauungswelt des anderen nicht hineinpasst.

Liebt eure Feinde.
Wo endet Feindschaft?
Da, wo ich jene Gleichheit unter den Menschen, im Blick habe,
die grundsätzlicher ist als alle Verschiedenheit:
den Hunger, den Durst, die Anfänglichkeit und die Endlichkeit,
den Hunger nach Liebe und den Durst nach Zuwendung.

Wo endet Feindschaft?
Da, wo ich meine eigene Anschauungswelt und das, was nicht hineinpasst,
hinterfrage,
da, wo ich überlege, wie sich meine Anschauungen und die des anderen
gebildet haben,
da, wo ich lerne, neben mir zu stehen, um das Trennende,
das Feindliche besser verstehen zu können,
da, wo ich jemanden um Rat frage, der einen anderen,
einen neutralen Blick hat.

Nicht jede Feindschaft lässt sich auflösen oder versöhnlich gestalten;
manchmal ist es schon eine Leistung, sich aus dem Weg zu gehen,
sich nicht mehr schaden zu wollen, sich links liegen zu lassen,
nicht mehr gegen sich selbst zu wüten;
manchmal ist es schon eine Leistung, die Feindschaft,
oder in der Denkweise von Erich Fried gesprochen: die Ungleichheit,
die Andersartigkeit zu akzeptieren und sie hinzunehmen.
Friede beginnt, wo Grenzen nicht mehr bekämpft
und strittig gemacht werden,
Friede beginnt, wo ich mit Grenzen leben kann und will.

Feindesliebe setzt in jedem Fall innere Stärke voraus;
Liebe deine Feinde, heißt darum auch:
sieh auf das, was dich stark macht, was dich mit Grenzen leben lässt,
was dir das Gleiche, das Gemeinsame fundamental sein lässt.

Gott verhält sich so:
in seiner Menschwerdung sieht und sucht er das Gleiche,
das Gemeinsame mit uns Menschen, und er lebt es auch.

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