Jahreswechsel 2024
Heute Nacht läuten die Glocken wieder um 12 Uhr.
Eine lange Tradition.
Wie gut, wenn sie läuten können
und nicht eingeschmolzen werden zu tödlichen Granaten.
Glocken markieren den Übergang: In der Silvesternacht in vollem Geläut,
tagsüber mitunter jede Viertelstunde ein einzelner Schlag.
Vergehende Zeit.
Wir gehen mit.
Und wenn wir darüber nachdenken,
wenn wir uns die vergehende Zeit bewusst machen,
mischen sich melancholische Gedanken mit Dankbarkeit,
Ängste mit Stoßgebeten, Fragen mit Vorhaben.
Unterschiedlich begehen Menschen diese Nacht.
Mitunter durchschlafend, mitunter schweigend.
Typischerweise wird der Jahreswechsel im Brauchtum
von verschiedenen – man kann nicht anders sagen: –
Lärmelementen begleitet: Die schon erwähnten Glocken,
Musik, Raketenschießen und -geknalle, die Silvesterböller.
Wir kennen ihren Ursprung, nämlich die Hoffnung,
dadurch Dämonen abwehren zu können.
Anderen wiederum macht das Geknalle Angst.
Es sind halt Schüsse…
Lärm soll Ängste vertreiben oder damit umgehen helfen.
Als Kind genügte das Licht einschalten beim Gang in den Keller nicht,
ich habe gepfiffen oder gesungen, jedenfalls mich bemerkbar gemacht.
Die meisten kenne das.
Die Angst vor dem Ungewissen, vor dem „Jederzeit“ kann etwas passieren,
vor dem jederzeit eintretenden Augenblick, der alles ändern kann,
ist da.
Mal lässt uns diese Angst die Zeit bewusster wahrnehmen,
mal hindert sie uns, offen für die Zukunft zu sein.
Singen gegen die Angst.
Ein Neurobiologe hat herausgefunden:
Wir können nicht gleichzeitig Singen und Angst haben.
Unser Gehirn kann nicht beides auf einmal tun.
Die Apostelgeschichte erzählt, wie Paulus und Silas,
zusammengeschlagen, gefoltert, angekettet,
im Gefängnis Gott zu loben beginnen und singen.
Beim Singen atmen wir tiefer.
Tiefes Luft holen beruhigt und gibt Kraft.
Atem ist für uns der Hauch Gottes.
Gott formte den Menschen aus Erde vom Ackerboden
und blies in seine Nase den Atem des Lebens.
Mit jedem Atemzug nehmen wir etwas von Gott auf.
Und lassen gleichzeitig los.
Gott ist jeden Augenblick neu.
Wir halten nicht fest: Den Atem nicht, Gott nicht, das Leben nicht,
das Licht nicht, uns selbst nicht.
Alles ist – im Augenblick.
Tief Einatmen und Ausatmen, Singen, den Glocken lauschen –
vielleicht gute Vorhaben in dieser Nacht und darüber hinaus.