Epiphanie 2019
„Wir sind Weihnachten“ –
vielleicht haben Sie diesen Spruch am Radio
in den vergangenen Wochen auch gehört.
Als die BILD am 20. April 2005,
einen Tag nach der Wahl Joseph Kardinal Ratzingers zum Papst,
die Schlagzeile „Wir sind Papst“ druckte, war sie zumindest originell,
wenn auch von Anfang an grammatikalisch falsch –
und die Frage danach, wer in der Schlagzeile das „Wir“ ist,
stellte man besser nicht.
Immer wieder ist seitdem dieser Slogan abgewandelt worden,
und entwickelte sich schnell zu einer geläufigen Redewendung.
Muss man in unseren Tagen so formulieren,
um Botschaften zu transportieren?
Sind WIR Weihnachten?
Natürlich sind wir in das Geschehen von Weihnachten hineingezogen,
insbesondere dann, wenn wir uns fragen,
wie wir selbst schwanger gehen mit den Gottesworten,
wie durch uns Licht in die Welt kommt,
wie wir die Idee des Christlichen und Christus selbst groß werden lassen.
Am heutigen Festtag stehen dafür die Sterndeuter.
So sehr sie das geheimnisvolle Flair von Astrologen
mit Wissen aus dem Osten umgibt,
für den Schreiber des Evangeliums repräsentieren sie
die Welt der Heiden.
Weise Heiden machen sich auf.
Früher hieß es immer:
Heide ist, wer von Christus nichts weiß oder wer ungetauft ist;
aber vielleicht haben diese Sterndeuter
viel mehr an Suche und Leidenschaft in sich getragen
als wir mit so vielfach an christlichen Worten Übersättigten,
die es schwer haben, diese Worte zu leben.
Weise Heiden machen sich auf.
Wir wissen, dass Weisheit nicht
aus einer unbestimmten Menge gesammelten Wissens entsteht und besteht;
weise ist, wer um sein Nichtwissen weiß,
wer, um im Bild der Sterndeuter zu bleiben,
auch um die große Schwärze zwischen den Sternen weiß.
Die Sterndeuter offenbaren ihr unvollständiges Wissen,
als sie am Hof des Herodes nachfragen,
wo der neugeborene König zu finden sei.
Da durchqueren Menschen große Weiten,
und auf den letzten Metern wissen sie doch nicht weiter.
Was für eine schillernde Geschichte:
Menschen machen sich auf,
weil ihnen Lichtpunkte am dunklen Nachthimmel
zu Hoffnungszeichen werden.
Ja, wir sehen viel Dunkles in unserem Leben und in unserer Zeit,
fühlen uns oft umnachtet,
kleben am Boden und im Sumpf des Vergangenen, das uns nicht loslässt;
und also wissen wir um die Kraftanstrengung, die es bedeutet,
die wenigen Lichtpunkte, die unser Leben – weiß Gott – nicht hell machen,
dennoch als wegweisend zu sehen und ihnen Glauben zu schenken:
an das winzige Licht der Versöhnung zu glauben,
am dunklen Nachthimmel der Kirchengeschichte
dennoch den wegweisenden Stern zu sehen,
im grauen Alltagsstaub den Kopf nicht in den Sand zu stecken,
sondern den Spuren von Licht zu folgen,
in dem großen sinnlosen Einerlei
den Funken Sinn zu finden, der alles verändert,
den es sich lohnt, aufzunehmen, ihm nachzugehen.
Der heutige Epiphanietag, der Tag der Erscheinung des Herrn,
verspricht ein Ziel, verspricht, dass das Licht siegt.
„Wir sind Weihnachten“ –
ich weiß nicht, was sich die Macher dieses Slogans gedacht haben;
muß ich auch nicht wissen,
aber ich kann dieses Wort nehmen und daraufhin befragen,
was es an Botschaft für mich bereit hält.
Jedenfalls sind mit den Sterndeutern meine Wege darin,
das Mühsame, die oft verschlingende Dunkelheit
und all die vor-sichtigen Blicke auf den Stern, der mich zieht.
Und der feste Glaube an das Finden und Ankommen ist darin,
auch wenn oder gerade weil ich noch im Aufbruch stecke.