B 22 2024 Mk 7,1-8.14-15.21-23
Was sollen wir uns mit unreinen Händen aufhalten
und mit dem Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln?
Gibt es nicht wichtigere Themen? Aktuellere?
Ich glaube, in diesem Evangelium geht es um Grundsätzliches,
nämlich um den Umgang mit dem Gotteswort und seine Auslegung.
Das Buch Levitikus kennt viele Reinheitsvorschriften,
die wir heute nicht mehr verstehen.
Wir sagen: Sie sind aus der Zeit gefallen.
Dennoch galten und gelten auch sie als Gottes Wort.
Teilweise wurden die Reinheitsvorschriften
noch konkretisiert oder verschärft: man wollte alles richtig machen.
Die „Überlieferung der Alten“ entstand.
Gebote werden zum Gottesgebot,
obwohl sie Schlussfolgerungen von Menschen sind.
Jesus räumt auf, nicht nur mit der Überlieferung der Alten.
Wenn er sagt, nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt,
macht ihn unrein, wenn er damit alle Speisen für rein erklärt,
verändert er die Reinheitsvorschriften des Mose,
Vielleicht gehen wir deshalb darüber hinweg,
weil uns die Vorschriften selbst so fremd sind.
Es bedeutet aber, dass ein dafür gehaltenes Gotteswort
eine Veränderung erfährt.
Die Bibel ist darum kein Buch der Festschreibungen,
sondern enthält Zeugnisse von Menschen,
was diese in bestimmten Zeiten als Wort Gottes verstanden haben.
Ändern sich Zeiten, dann ändern sich auch Verständnisse.
Jesus scheint so manche Vorschrift als sinnlos zu erleben,
veräußerlicht und um ihrer selbst willen.
Dabei geht es offensichtlich nicht nur um die religiöse Praxis,
es geht auch um zugrundeliegende Überlieferungen der Bibel.
Zu erkennen was wirklich Gottes Gebot ist, bleibt darum herausfordernd.
Immer klebt daran Zeitgeschichte –
und immer ist es in menschliche Worte gekleidet.
Darum enthält beispielsweise die Leseordnung,
also die Auswahl der Texte aus der Bibel,
die wir in den Gottesdiensten hören, viele biblischen Texte nicht.
Wir würden sie schlicht falsch oder überhaupt nicht mehr verstehen.
Und selbst in der Leseordnung sind noch mancherlei Texte,
die wörtlich genommen unmöglich dem Willen Gottes entsprechen.
„Wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, reiß es aus“…
Dieses Evangelium gibt in meiner Wahrnehmung zwei Kriterien mit,
die beim Umgang mit Überlieferungen und Gottesworten
hilfreich sein können.
Zum einen: Das Gotteswort eignet sich nicht,
um andere Menschen anzuklagen oder anzuschwärzen:
„Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferung der Alten?“
Wir wissen, dass dies ja keine vom wirklichen Interesse geleitete Frage ist,
es geht um Anklage; um ein Lauern auf den geeigneten Augenblick,
es geht darum, sich selbst für rein zu halten und auf dem richtigen Weg,
und die anderen nicht.
Manch kirchliche, manch religiöse Überheblichkeit
speist sich aus dieser Haltung heraus.
Zum anderen: Das Gotteswort hat mit dem Herzen zu tun,
nicht mit den Lippen.
Das Herz ist der entscheidende Ort.
Nicht umsonst steckt in unserem Wort Barmherzigkeit das Wort Herz.
Alles, was unbarmherzig macht und ist, alles Herzlose
kann nicht mit Gott und seinem Wort begründet werden.
Die Erfahrung Jesu und vieler anderer scheint zu sein:
Ein pures Halten von Vorschriften
macht einen Menschen nicht zwingend herzlich,
sondern eher selbstgerecht und unbarmherzig anderen gegenüber.
Wenn ein Wort dazu dient, andere anzuklagen,
wenn es selbstgerecht und unbarmherzig macht,
ist es entweder falsch verstanden oder wirklich kein Gottes Wort.