Gründonnerstag 2019
Taufkleid – Hochzeitskleid – Totenhemd
Durch die Installation dieser Kleidungsstücke hier in der Kirche
aufmerksam geworden für Bedeutungen von Kleidung,
begegnet uns heute am Gründonnerstag ein Leinentuch als Schürze.
Jesus legt Sein Gewand ab und umgürtet sich mit einem Tuch.
Das kann man nicht in der Vergangenheitsform lesen –
das gehört in die Gegenwartsform: genauso ist Christus wesentlich.
Und genauso sollen Christen sein.
Doch leider hängt ein solches Leinentuch, eine Schürze
nicht in den liturgischen Kleiderschränken.
Dort hängen Gewänder, dort stehen Mitren, Samt, Brokat, Damast.
Wenn wir die zentralen Feiern unseres Glaubens begehen,
begegnen uns diverse Kleidungsstücke;
wenn Jesus das Zentrale Seines Glaubens zelebriert,
sieht das ganz anders aus.
Welch ein Widerspruch.
Wenn man überhaupt von einem „liturgischen Kleidungsstück“
des Neuen Testamentes sprechen kann,
dann ist es dieses Leinentuch als Schürze.
Der Evangelist Johannes
beschreibt die Szene der Fußwaschung ausdrücklich.
Wir lesen bei ihm nichts vom Tischsegen, von Brot und Wein,
stattdessen lesen wir von diesem bewegenden Zeichen, das nahegeht,
das sogar Unverständnis hervorruft.
Petrus bringt es ins Wort: dieser Sklavendienst als Dienst seines Herrn?
Das Wechseln der Kleidung fasst das ganze Leben Jesu zusammen:
wie Er das Obergewand ablegt, sich selbst bloß legt,
angreifbar und verletzlich macht,
sich sozusagen die Blöße gibt, im Dienst der Menschen zu arbeiten
und die Sklavenschürze anlegt,
so hat Er Seine göttliche Herrlichkeit abgelegt und ist Mensch geworden.
Jesus wäscht die Füße: Er ist „unten“ angekommen.
Tiefer geht es nicht – das zeigen uns diese Nacht und der Karfreitag.
Dieses Zeichen und das Leben Jesu insgesamt
heben die antike Sklavenhaltergesellschaft und ihre Herrschaftsverhältnisse
und alle Herrschaftsverhältnisse aus den Angeln.
Er stellt alles auf den Kopf.
Für Ihn gibt es kein oben und unten,
keine Legitimation der Herrschaft von Menschen über Menschen,
von Männern über Frauen, von Diktatoren über Untergebene,
von Bischöfen über das Volk.
Und genauso soll Kirche sein:
demütigende Herrschaftsverhältnisse beim Namen nennen,
und alles tun, was dem Menschen dient.
Keiner steht über dem anderen.
Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt.
Die ursprüngliche Tracht des Priesters, des Christen ist ein „Arbeitskittel“.
Kirche ist nicht dazu da, sich selbst zu erhalten,
so wie Jesus sich in Seiner Hingabe und in Seinem Tod
nicht selbst erhalten hat.
Kirche ist dazu da, sich im Dienst am Menschen zu verzehren
bis zur Selbstaufgabe.
Dem Evangelisten Johannes nach ist das Vermächtnis Jesu,
wirklichen Gottesdienst als Dienst am Menschen zu verstehen.
Alles Mühen der Kirche,
sich selbst in einer bestimmten geschichtlichen Gestalt zu erhalten,
mitunter auf Kosten von Menschen und Menschlichkeit,
kann sich nicht auf das Beispiel Jesu berufen.
Doch das Unverständnis des Petrus begleitet uns immer noch.
Es begleitet uns, wenn wir Kirche nicht vom Menschen her denken,
von seinen Bedürfnissen, Ängsten, Schwächen,
sondern von oben herab, vom Sabbat her,
von erstarrten Prinzipien her, die eher Lasten aufladen statt zu erleichtern;
es begleitet uns, wenn wir uns Jesus als den Herrscher wünschen,
weil wir Ihn als Dienenden – wie Petrus – nicht an uns heranlassen wollen;
es begleitet uns, wenn wir uns über andere Menschen stellen,
und ihnen „den Kopf“ statt die Füße waschen.
Jesus legt Sein Gewand ab.
Er legt sich selbst offen. Er zeigt sich, wie Er ist.
(Idee von Engelbert Groß Christ in der Gegenwart 2014)