Gründonnerstag 2020
Gerade heute wäre es uns so wichtig.
Miteinander das Brot brechen.
In leisen Riten das letzte Abendmahl feiern.
Sich anrühren, berühren lassen an diesem eigenwilligen Abend,
der in der Liturgie Orgel und Glocken jäh verstummen lässt.
Vielen wird es fehlen.
Vielen?
Ehrlicherweise muss man zugeben,
dass dieser Abend längst nicht mehr die Bedeutung hat,
zumindest nicht dahingehend,
dass unsere Kirchenräume überfüllt gewesen wären.
Und der Schmerz des Vermissens wird vielleicht ganz schnell relativ
mit Blick auf Ärztinnen und Ärzte und das Pflegepersonal,
die derzeit an ihre Grenzen kommen,
mit Blick auf die vielen, die Angst um ihren Arbeitsplatz
und vor finanziellen Einbrüchen haben,
mit Blick auf Ältere oder vorerkrankte Menschen,
die die Sorge vor einem kritischen Verlauf einer Ansteckung quält,
mit Blick auf die politisch Verantwortlichen,
die weitreichende Entscheidungen treffen und abwägen müssen,
ob diese richtig sind.
Und dann ist da die Furcht vor Fragen, die sich niemand stellen will:
wie ist das, wenn die Kapazitäten in den Krankenhäusern nicht reichen
und die Frage bedrängend und unumgänglich wird,
wen man von den Patientinnen und Patienten behandelt und wen nicht?
Dieses gegenwärtige Alltagsbrot ist hart.
So leicht lässt es sich nicht brechen.
Eher zerbrechen Menschen daran.
Da mutet es seltsam an,
würden wir hinter verschlossenen Türen im Ritus begehen,
was real geschieht.
Aber wann jemals wäre das anders (außer mit den verschlossenen Türen)?
Zerbrechen nicht zu allen Zeiten Menschen,
trifft das Schicksal nicht immer hart?
Besteht der Unterschied darin, dass es jetzt so viele sind?
Die Notlage so weitreichend?
Jesus selbst verbindet sein Sterben mit dem Ritus des Brotbrechens.
Das Zeichen hilft, das Bezeichnete, den Bezeichneten lebendig zu halten,
wir sagen gegenwärtig;
das Zeichen hilft, das, was es bezeichnet, aufzunehmen.
Es ist ja wirklich ein widersprüchliches Zeichen:
gerade im zerstörerischen Zerbrechen ist Er uns nahe.
Seine Gegenwart ist daran gebunden.
So gesehen sagt mir das Brot brechen,
wie die frühen Christen die Eucharistie nannten,
etwas sehr Kostbares, fast Unglaubliches, unheimlich Tröstliches
und zugleich sehr Einfaches,
nämlich die göttliche Zusage: ich bin bei dir.
Im schweren, im nicht auszuhaltenden, im alles in Frage stellenden,
im auseinander fallenden, im zerbrechen bin ich da.
Vielleicht erkennst du es erst im nach hinein wie die Emmausjünger.
Wir können das Brot heute nicht in den Kirchen brechen.
Aber wir können es Zuhause.
Wir können es brechen mit allen, die nahe am Zerbrechen sind.
Wir können es brechen mit allen, die Trost brauchen,
und die Zusage, gesehen, geschätzt, geliebt zu sein.
Und bevor wir es vergessen:
Jesus hat das Brot nicht in einer Kirche gebrochen;
es war ein angemieteter Saal,
und in der österlichen Emmauserzählung
ließ Er sich einfach in ein Haus einladen.
Dieses Brot brechen im kleinen, im Gedenken an Ihn
– unabhängig von Weihen und Ämtern –
entfaltete doch große Kraft und Wirkung.
Zumindest damals.
Warum nicht heute?
Auch alles Sterben ist relativ. Der Aufschrei zu Zeiten von Corona ist laut. Wer denkt da noch an die vielen ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer. Wer denkt an die vielen Toten vom Afghanistan Krieg. Manchmal habe ich den Eindruck, die Medien können sich nur auf ein Thema konzentrieren. Alles, was vorher Überschriften in den Zeitungen war, wird unwichtig. Mir tut es gut, sorgsam Nachrichten auszuwählen. Und genauso sorgsam wähle ich die Ersatz – Gottesdienste aus. Es erschreckt mich, wenn einem Pfarrer nichts Anderes einfällt, den üblichen Gründonnerstags -Gottesdienst zu halten. Alleine nur. Und das wird auf YouTube gestellt. Das passt doch nicht. Da wird Gottesdienst für mich unpassend. Dankbar registriere ich, dass es Pfarreien gibt, die Impulse oder Gottesdienste senden, die der jetzigen Zeit und Situation angepasst sind. Da bewegt sich etwas.
Ich habe eine Agapefeier für mich alleine gehalten. Begleitet von den Familienfotos an der Wand. Es passte für mich. Ich erlebte heute insgesamt mehr Gründonnerstag als in normalen Jahren.