Christmette 2019
Wir möchten einander etwas geben, etwas mitgeben:
Eltern ihren Kindern, Lehrende ihren Schülerinnen und Schülern,
Schauspielernde den Zuschauenden, Sprechende den Zuhörenden.
Tatsächlich: wir können einander etwas geben.
Manchmal sind es einzelne Sätze, die wir mitbekommen haben
und die uns in bestimmten Momenten einfallen.
Worte können Lebenshilfe sein.
Allerdings kennen wir auch das andere,
dass Menschen einander etwas mitgeben,
was das Leben überschattet, belastet und schwer macht.
Und manchmal merken wir es selbst nicht, wenn wir etwas sagen,
was für andere schwer verdaulich ist, was sich wie Blei in die Seele legt.

Kirche hat über Jahrhunderte Menschen etwas mitgegeben,
und es war nicht immer eine befreiende Botschaft,
sondern auch und oftmals viel mehr eine Angst machende Botschaft.
Das Bild eines strafenden Gottes
hat das Leben vieler Menschen überschattet und schwer gemacht,
hat ihr Leben mindestens beeinträchtigt.
„Ich hatte nie ein positives Weltbild.
Viele Jahre meines Lebens sind verschwendet,
ich wurde nie ermutigt zu sein, wer ich bin,
und war noch nie glücklich über meine Identität.“
schreibt ein heute 40 Jahre alter Mann mit Blick auf sein Leben,
für das er wegen seiner Veranlagung und dem,
was die Kirche meint, dazu sagen zu müssen,
einen regelrechten Selbsthass entwickelte.

Wir geben eben nicht nur Leben weiter;
wer Leben weiter gibt, gibt auch irgendwie den Tod mit,
verursacht unter Umständen, dass Menschen durch die Hölle gehen.

Heute feiern wir das, was uns von Gott mitgegeben ist,
was uns durch den Himmel gehen lässt.
Wir feiern Geburt, eine, dem kein Tod etwas haben kann.
Und ich glaube, das Anrührende an diesem Fest ist,
dass wir nicht nur die Geburt des Gottessohnes feiern,
sondern auch unsere eigene.
Wir sehen uns in unserer Unfertigkeit, im Unausgewachsenen,
im Anfänglichen, in dem gerade Auftauchenden und zur Welt Kommendem.
Das ist der große Schatz unseres Lebens:
das, was noch wachsen und sich entfalten will, gleichgültig, wie alt wir sind.
Wer Weihnachten feiert, liebt den Anfang und das Unfertige;
wer Weihnachten feiert, vertraut darauf, dass das noch Unausgereifte,
das „nichts noch, niemand, zerknittert noch“,
wie Huub Oosterhuis das in Windeln eingewickelte Kind übersetzt,
immer eine Zukunft hat.

Das gibt uns Gott Weihnachten und darüber hinaus mit:
schau auf das, was wachsen muss;
lass dich nicht vom schon Ausgewachsenen, mitunter Verwachsenen, blenden: Zukunft hat das Werdende.

Diese Botschaft bewegt die Hirten.
Hirten sind Menschen, die im „Zerknitterten“, im gerade sich Rührenden
das Wort Gottes, Gott selbst schauen.
Hirten sind Menschen, die auf den Schwachen in der Krippe schauen.
Wie anders wird unsere Welt, wenn wir die Schwachen sehen
und uns von ihnen leiten lassen.
Wie anders wird unsere Welt,
wenn wir in schwierigen Augenblicken nicht darauf schauen,
wo jemand stark ist, sondern schwach,
aber dies nicht, um seine Schwäche auszunutzen,
sondern um durch einen liebevollen Augenblick
Geburt, Neuanfang zu ermöglichen.

Wir werden das, was wir als belastend Mitgegebenes empfinden,
nicht los, wir konnten uns nicht wehren, es ist in uns eingedrungen: es bleibt.
Und mitunter macht es uns unfrei, lässt uns selbst anderen mitgeben,
woran diese ihr Leben lang zu knacken haben.
Weihnachten lädt uns ein,
mit dem Neugebornen den als Gott in uns zu lassen,
der uns nicht trotz sondern wegen unserer Unfertigkeit liebt.
Weihnachten lädt uns ein,
mit dem Neugebornen den als Gott in uns zu lassen,
von dem wir glauben, dass Seine Schwäche und Ohnmacht
der Macht der Liebe zum Sieg verhilft.

Entscheidend für unser Leben ist, an das Gute zu glauben,
so gering es auch erscheinen, so viel auch dagegen zu sprechen vermag;
schaust du darauf, kannst du zusehen, wie es wächst
und alles andere in den Schatten stellt.
Gottes Gabe ist die wachsende, die mit bleibender Zukunft.

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