2. Advent C 2024 Bar 5,1-9
Leg ab, Jerusalem, das Kleid deiner Trauer und deines Elends…
Hören wir den Propheten Baruch,
den treuen Gefährten und Schreiber des Propheten Jeremia.
Leg ab.
Als wenn das so einfach wäre…
Selbst wenn das Kleid Trauer ist: Es ist ein Kleid,
und Kleider schützen und verleihen Sicherheit.
Kleider sind wie eine zweite Haut.
Und Wohnungen, und Traditionen und Rituale sind wie eine dritte Haut,
und vielleicht Kirche ebenso.
Wir sind verwoben damit, umhüllt, bemäntelt, behaust.

Leg ab das Kleid deiner Trauer:
Es wird nicht davon gesprochen,
dass uns jemand die Trauer abnimmt – wer sollte das auch können?
Wir können Trauer nur selbst ablegen.
Menschen können uns in der Trauer begleiten und nicht allein lassen,
abgenommen ist sie uns dadurch nicht.
Als man über Wochen und Monate als Zeichen der Trauer
schwarze Kleidung trug, kam irgendwann die Zeit des Ablegens;
aber wann diese Zeit da ist, kann ich nur selbst erkennen.

Genau so ist es mit den Wohnungen, Traditionen und Ritualen:
Sie passen nicht ewig zu mir.
Wohnungen können zu groß werden, Traditionen sinnentleert,
Rituale ihre Sprache verlieren, so dass sie mir nichts mehr sagen.
Dennoch legen wir nicht so einfach ab.
Denn wir haben es ja bewohnt, es hat uns gewärmt und getragen.
Manchmal schaffen wir das Ablegen auch gar nicht.
Wir haben Angst, „unbekleidet“ dazustehen, unbehaust.
Wir können stecken bleiben in dem, was mal gepasst hat,
und es beginnt uns langsam zu erdrücken:
Zimmer im Haus, die ich nicht mehr bewohnen oder beleben kann,
Traditionen, die nur noch Hülle sind und deren Inneres ausgehöhlt ist,
Rituale, die ich nur noch aus Gewohnheitsgründen vollziehe.

Leg ab.
Ablegen fällt einfacher, wenn es – wie in der Lesung gehört –
ein anderes Kleid gibt, das bereitliegt, um mich zu umhüllen und zu wärmen:
Den von Gott verliehenen Schmuck der Herrlichkeit.
Es ist leichter, Dinge abzulegen,
wenn ich sehe, was ich stattdessen anlegen kann.
Glauben ist das Ablegen alter Kleider
und das Anziehen des Gewandes, das Gott uns hinhält –
nicht nur im Moment der Taufe, immer wieder.
Christus anziehen – ist das Deutungswort zum Taufkleid.
Er gibt uns ein neues Aussehen.

Ablegen – anlegen.
Was passt wirklich zu mir?
Der Prophet Baruch spricht von Gott als den,
der den Mantel der Gerechtigkeit hinhält.
Kleidung drückt etwas aus,
die Uniform drückt Zugehörigkeit aus, das Festkleid Freude.
Mantel der Gerechtigkeit: Wie drücke ich die Gerechtigkeit Gottes aus?

Glauben bedeutet vor allem das Wahrnehmen von Zu-sagen.
Die Zusage, die der Prophet Baruch nennt:
Gott bekleidet.
Das Wagnis bleibt:
Zwischen dem Ablegen der alten Kleider und dem Anlegen der neuen
bleibt ein Moment der Schutzlosigkeit und die Frage:
Wird das neue passen, wärmen, halten, fühle ich mich wohl damit?
Und in unserem Leben ist so ein Moment nie nur ein Augenblick,
oftmals eher eine unbestimmte Zeit,
vielleicht ist dieser Moment das Leben selbst.

 

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