5. Ostersonntag C 2025
Von Liebe sprechen viele.
Schon deshalb, weil jeder Mensch geliebt werden möchte.
Weil dieses Wort so oft gebraucht wird,
auch weil es in der Bibel eine zentrale Bedeutung hat,
darf es durch den häufigen Gebrauch nicht entwertet werden.
Nicht nur Gegenstände können Abnutzungserscheinungen bekommen,
auch Worte.
Abnutzungserscheinungen sprechen einerseits vom häufigen Gebrauch,
davon, dass das Abgenutzte einmal wichtig war,
aber andererseits droht dem Abgenutzten, dass es an Bedeutung,
an Glanz und Kraft verliert.

Frisch Verliebte verstehen unter Liebe etwas anderes
wie Menschen,
die schon Jahrzehnte gemeinsam durch dick und dünn gehen.
Die Aussage: Ich liebe Eis –
meint etwas anderes als die Aussage: Ich liebe dich.
Jesus sagt: Liebt einander!
Normalerweise beginnt Liebe damit,
dass man etwas oder jemanden schön findet, attraktiv und reizvoll.
Wir finden an etwas oder an jemandem Gefallen,
entwickeln Interesse, knüpfen einen Kontakt, bauen eine Beziehung auf.
Liebe beginnt mit einem Reiz, mit einer Verlockung.
Inwieweit wir bei dieser Liebe
wirklich den geliebten Menschen im Blick haben
oder das Gefühl des haben Wollens, das des eigenen Wohlergehens,
muss sich jeder Mensch selbst fragen.

Im Evangelium heute spricht Jesus von Liebe
direkt nach seinem Beispiel der Fußwaschung im Abendmahlsaal.
Wenn er von Liebe spricht, ist es nicht die,
die durch angenehme Reize ausgelöst wird.
Schließlich ruft er an anderer Stelle zur Feindesliebe auf.
Die Liebe, von der Jesus spricht, lebt offensichtlich nicht davon,
dass man sich gegenseitig toll oder attraktiv findet;
sie lebt nicht davon, dass das oder der Geliebte
genau dem eigenen Geschmack entspricht.
Sie lebt davon, dem anderen gut zu sein,
ohne zu wissen, wo dieses Gute bleibt.
Sie liebt genauso weiter, wenn die Antwort der Gegenliebe ausbleibt.
Sie macht sich nicht abhängig von Aussehen, Eigenheiten, Verfehlungen;
sie liebt.
Man muss sich deswegen nicht unheimlich nett oder sympathisch finden;
den gleichen Blickwinkel haben oder ähnliche Ansichten;
diese Liebe hat vor allem mit Würde zu tun.

Wie sonst wollen wir erklären,
dass Gott aus lauter Liebe zum Menschen Mensch wird?
Weil wir so nett sind oder so schön? Weil wir es verdienen?
Nein, wir verdienen es nicht; allenfalls bedürfen wir es.
Die Liebesbedürftigkeit ist Beweggrund seiner Liebe.
Von dieser Liebe sagen wir, glauben wir, sie erlöst die Welt.
Denn sie bricht den engen Kreislauf von Liebe und Gegenliebe,
von Aktion und Reaktion, von „wie du mir – so ich dir“.
Sie allein ermöglicht Neues, Neuschöpfung.

Wie äußert sich diese Liebe?
Sie ist beim anderen – so wie Gott beim Menschen ist.
Sie geht über sich selbst hinaus – so wie Gott über sich selbst hinaus geht.
Diese Liebe schenkt uns eine Gewissheit:
Wir haben nichts zu verlieren – aber alles zu gewinnen.

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