Pfingsten 2020
Unterschiedlicher kann die Bibel kaum erzählen:
in der Apostelgeschichte ist vom Brausen die Rede, vom heftigen Sturm,
im Johannesevangelium vom Hauch.
Die Apostelgeschichte erzählt vom Getöse,
das Johannesevangelium legt hinter den verschlossenen Türen
eher eine Stille nahe.
Beide biblischen Bücher reden in all ihrer Unterschiedlichkeit vom Hl. Geist:
das eine laut und stürmisch, das andere leise und behutsam.
So ist das:
mal braucht es den starken Antrieb, mal die zärtliche Berührung;
mal braucht es die kräftige Stimme, mal das leise Flüstern.
Offensichtlich spielen die jeweils Empfangenden eine große Rolle:
was sie brauchen, beeinflusst Gott als den Sendenden, als den Gebenden.
Der Geist bleibt derselbe,
aber er kommt auf unterschiedliche Weise bei den Jüngern,
bei den Menschen an.
Die jeweilige Situation, in der sie sich befinden,
spielt eine entscheidende Rolle.
Gott richtet sich am Menschen aus.
Sein Handeln ist darauf hin abgestimmt, dass es auch ankommen kann.
Ein heftiges Brausen am Osterabend hätte die Jünger umgehauen;
was sie hier brauchten, war der Hauch, das Friedenswort.
Wie es Menschen geht, scheint Gott in Seinem Wirken zu beeinflussen.
Der Apostel Paulus schreibt einmal an die Gemeinde in Korinth:
„Milch gab ich euch zu trinken statt fester Speise;
denn diese konntet ihr noch nicht vertragen.“
Diese alltägliche Weisheit,
dass nicht zu jederzeit alles in gleicher Weise dran ist,
in gleicher Weise gesagt, getan, ausgesandt werden kann,
scheint auch das göttliche Wirken zu prägen.
Der Gott, an den wir glauben,
ruht nicht unabhängig von allem, was ist, in sich;
es gibt die persönlichen, die individuellen Zugänge des Menschen zu Gott,
und umgekehrt gibt es die individuellen,
die persönlichen Zugänge Gottes zum Menschen.
Darum glauben wir auch nicht an ein leistungsorientiertes Christsein,
wir glauben an ein liebeorientiertes.
Die arme Witwe am Opferkasten, die Jesus beobachtet,
als sie zwei kleine Münzen hinein wirft,
während die Reichen weitaus mehr hineinwerfen,
gibt in den Augen Jesu mehr.
Natürlich kann man mit dem vielen Geld mehr machen als mit dem wenigen,
aber das scheint hier nicht der Blickwinkel Jesu zu sein.
Liebe sucht und geht individuelle Wege.
In ihr zählt die Hingabe mehr als die Gabe.
„Verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist“
sagt Paulus im Korintherbrief.
Es gibt nicht nur so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt,
um ein Wort von Kardinal Ratzinger noch einmal aufzugreifen;
es gibt auch so viele Wege Gottes zum Menschen, wie es Menschen gibt.
Die Kirche, die mit Pfingsten beginnt, kann darum nur eine bunte sein,
in der viele Wege und Weisen Raum haben.
Die eine braucht viel an kirchlicher Gemeinschaft, der andere wenig;
der einen ist jene biblische Geschichte bedeutsam und lebenserschließend,
dem anderen eine völlig andere.
Der eine Geist, der eine Gott offenbart sich im Leben der einen so,
im Leben des anderen so.
Wie frei können wir darum als Kirche sein,
wie sehr voneinander lernen.
Die Apostelgeschichte zählt die unterschiedlichen Orte der Menschen auf,
die sich am Pfingsttag in Jerusalem eingefunden haben.
Vielleicht ist das wesentliche Wort in der Aufzählung das Wort „und“.
Mit diesem „und“ werden alle verbunden,
so verschieden ihre Herkünfte sind.
Es ist der eine Geist, der verbindet, der eine Himmel.