Sonntag in der Weihnachtswoche 2019
Gib – rufen wir in unseren Gebeten zu Gott.
Gib mir Zeit, Geduld, Frieden, Gesundheit, Kraft, Zuversicht, Mut,
gib mir Menschen an die Seite, gib mir Liebe ins Herz.
Wir glauben, dass Gott das alles hat oder geben kann.
Denn unter Geben verstehen wir,
etwas, das man selbst hat, in die Hand eines anderen zu legen.
Wir glauben, dass Gott der immerfort Gebende ist,
jeder Augenblick Leben Seine Gabe, Sein Werk.
Wir beten „gib“, weil wir im Gegenwärtigen Mangel empfinden,
weil uns etwas fehlt.
Wir erleben uns und die Welt als unvollkommen.
In der Glaubenssprache sagen wir: Gott ist der Geber alles Guten.
Wenn wir „gib“ rufen, braucht Gott dann Nachhilfe?
Ist unser Beten so etwas
wie ein kindliches Wunschzettel schreiben an das Christkind?
Und dann wird entschieden, was es gibt und was nicht,
was die Möglichkeiten übersteigt oder was als nicht sinnvoll erachtet wird?
Beeinflusst Gott unser Ruf „Gib“, macht er Ihn barmherziger, gebender?
Ändert er sozusagen Seinen Willen, Seine Absichten?
So zu denken, so zu fragen
entspringt unserer menschlichen Vorstellungskraft.
In diesem Blickwinkel, in dem wir uns selbst sehen,
versuchen wir auch Gott einzufangen.
Jesus wird es später als eine teuflische Versuchung entlarven,
Gott als den zu sehen, der aus Steinen Brot machen kann…
Weihnachten zeichnet ein ganz anderes Bild.
Wir feiern nicht den, der etwas gibt, Mangel behebt, hier und da eingreift,
wir feiern den, der sich selbst gibt in Seinem Sohn.
Mehr zu geben als sich selbst ist nicht möglich.
Rufen wir: gib, dann ist es vor allem Ausdruck unseres anfänglichen Mühens,
sich auf Gottes Gegenwart einzulassen.
Deshalb feiern wir Weihnachten – wie alle anderen christlichen Feste auch –
nicht als ein historisches Fest.
Wir feiern es als ein Fest, das Wesentliches,
immer sich Vollziehendes ausdrückt.
Wir glauben an den fortwährend kommenden
auf die Menschen zugehenden Gott,
an den, der nicht nur liebe Worte für uns hat,
sondern dessen Liebe ein Gesicht im Menschen bekommt.
Wir glauben, dass Seine Selbsthingabe in Jesus, Seine Menschwerdung
sich immerzu vollzieht, wo Menschen daraus leben,
wo Menschen mehr und mehr zu Menschen werden.
Wir glauben, dass Er sich finden lässt in unserem Alltagsstroh,
auf der Straße, unterwegs, im plötzlich Hereinbrechenden,
in dem, was uns – die Bibel sagt dazu: jungfräulich – in den Schoß fällt.
Wir feiern den sich gebenden Gott;
den wir noch gar nicht genug entdeckt haben,
wenn wir nach oben schauen, zum Himmel, und nicht zur Erde;
wenn wir in die Vergangenheit schauen und nicht in die Gegenwart.
Und wir bleiben Losgehende, Aufbrechende,
mit Verheißungen auf den Weg Geschickte,
von dem, was wir als Lichtblicke wahrnehmen, Geführte.