Sonntag nach Weihnachten 2020
GOTT nennt Ferdinand von Schirach
sein in diesem Jahr geschriebenes Theaterstück,
in dem er die Frage nach assistiertem Suizid stellt,
ausgelöst durch das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom Februar,
das besagt, dass das Verbot des assistierten Suizids nach § 217 StGB gegen das Grundgesetz verstößt.
Richard Gärtner, 78, körperlich und geistig gesund,
will seit dem Tod seiner Frau nicht mehr weiter leben.
Er bittet um ein Medikament, das ihn töten soll.
Eine Ethikdiskussion, bestehend aus Mediziner, Juristen und einem Bischof
verhandelt seine Bitte.
Im Gespräch mit dem Bischof fragt diesen der Anwalt
nach dem christlichen Menschenbild.
Irgendwann kommen sie auch auf die sogenannte Erbsünde,
auf das Leben und Sterben Jesu und auf die Vergebung.
Der Bischof bleibt im Grunde bei den Katechismusaussagen stehen,
während der Anwalt diese zu verstehen sucht
und sich nicht damit zufrieden gibt, alles für ein Geheimnis zu erklären.

An einer Stelle fragt er darum:
Gott „hat den Baum der Erkenntnis gepflanzt,
und er hat die bösartige Schlange erschaffen.
Wenn man es nüchtern betrachtet,
dann setzt Gott also erst den Anreiz für die Tat,
wobei ihm dank seiner Allwissenheit ja völlig klar sein muss,
dass Adam und Eva sie auch begehen werden.
Danach lässt er sich in Menschengestalt für diese Tat töten
und vergibt uns so die Schuld, die er selbst verursacht hat.
Die Sache klingt ein wenig irrsinnig, oder?…
Wenn Gott uns die Sünden vergeben wollte – wofür ich natürlich sehr bin -,
warum hat er es dann nicht einfach getan?
Wozu diese ganze furchtbar komplizierte, blutige, grausame,
unlogische und traurige Geschichte?“

Das ist keine Karfreitagsfrage, das ist eine grundlegende Frage,
und wenn man so will: mit der Geburt Jesu nimmt das Drama seinen Lauf,
auch wenn wir es heute, an Weihnachten, etwas umschreibend ausdrücken,
indem wir sagen: um unseres Heiles willen ist Er Mensch geworden.
Braucht Gott tatsächlich dieses ganze Drama des Lebens Jesu,
um vergeben zu können?
Immerhin hören wir in jeder Eucharistiefeier den Satz vom Blut Jesu,
vergossen zur Vergebung unserer Sünden.

Ich finde, Ferdinand von Schirach legt mit seinem Theaterstück
den Finger in eine ganz blutige Wunde.
Sie rührt von einer Gottesvorstellung, die den Tod Jesu
als angemessene Wiedergutmachung für die Sünde der Menschen sieht.

Ist da nicht ganz viel von menschlichem Vergeltungsdenken
in Gott hineinprojiziert?
Kann man darum nicht zurecht fragen:
liegt dieser Vorstellung wirklich ein Gott zugrunde,
der den Menschen nach Seinem Bild und Gleichnis formt,
oder umgekehrt: hört es sich nicht eher danach an,
dass der Mensch hier nach seinem Gusto, nach seinem Bild und Gleichnis,
eine Gottesvorstellung in die Welt setzt?
Menschen rufen nach Wiedergutmachung, das ist unser Alltag – Gott auch?

Aber was feiern wir dann heute, an Weihnachten, wenn wir sagen:
um unseres Heiles willen Mensch geworden?
Auch hier in der Kirche gruppieren sich die Holzkugeln und damit die,
für die sie stehen können, um eine aufgebrochene Schale,
die auf einem in Kreuzform gerissenen Boden steht.
Weihnachten nur im Schatten des Kreuzes?
Geboren, nur um zu sterben?

Mir liegt der einfache Gedanke näher,
dass Gott in Jesus unser Leben, so wie es ist, teilt.
Kein Leben ist ohne Kreuz, ist ohne Risse und Brüche.
Nie läuft es rund.

Da mitten hinein begibt Er sich – und Weihnachten sagt mir dann:
so verkorkst, so zerbrechlich, so brüchig, so zerrissen, so hart, so verworren,
so lichtlos, so an Wunden reich dein Leben dir ist
und so falsch es dir vorkommen mag

Gott lässt sich darin finden –
und das ist die eigentliche Erlösung.

Wenn es dir dunkel ist, brauchst du keine schlauen Reden,
keine Theorien, warum was wie ist;

wenn es dir dunkel ist, brauchst du jemanden, der da ist,
und einzig durch seine Gegenwart Licht bringt.

Ist das nicht Sein Name, den Mose hört: ich bin da?
Und ist Weihnachten nicht wie einzigartiges Bild dieses Gottesnamens?

Wir feiern das Dasein Gottes: im Himmel, auf der Erde und unter der Erde.

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