Taufe des Herrn 2019
Wir brauchen eine Perspektive.
Wir brauchen einen Ausblick.
Wir hören heute von der Perspektive, die Gott gibt:
den offenen Himmel, einen uns ansprechenden Himmel.
Eine Stimme aus dem Himmel spricht – heißt es bei der Taufe Jesu.
Glauben beginnt damit, sich angesprochen zu fühlen und wahrzunehmen:
der Himmel, das Überall Gottes, sagt mir was.

Viele Worte in der Kirche, viele Worte in der Glaubensverkündigung,
viele Worte im Alltag sprechen uns nicht an.
Mitunter stoßen sie uns sogar ab, wir verstehen sie nicht nur nicht,
sie machen es uns im Glauben schwer,
sie geben kein Zuhause, keinen Impuls, sie bewirken nichts,
und sie zerstören auch.
Hier bei der Taufe Jesu hören wir ein verbindendes Wort,
ein anziehendes, ein persönliches, ein Wort voller Wohlwollen:
Du bist mein geliebter Sohn.

Christ wird, wer die eine göttliche Stimme hört, die zuspricht:
du bist meine geliebte Tochter, du bist mein geliebter Sohn.
Das Evangelium meint: das ist eine himmlische Perspektive.
Wir glauben nicht nur an die uns hervorbringende Mutter Erde,
wir glauben auch an den uns ins Leben rufenden Vater Himmel.
Wir selbst werden zu Zeugen, dass Himmel und Erde zusammen kommen
und zusammen gehören.
Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter.
Geliebt werden öffnet tatsächlich einen ganzen Himmel voll Liebe und Glück
und schließt das Leben auf.

In den ersten Jahrhunderten des Christentums vertraten manche die Ansicht,
Jesus sei im Moment der Taufe erst zum Sohn Gottes adoptiert worden.
Auf Jesus bezogen wurde diese Sichtweise verworfen:
die Gottessohnschait Jesu ist nicht etwas irgendwann Hinzukommendes,
sie ist etwas Wesentliches.
Anders verhält es sich mit unserer Taufe:
durch sie werden wir zu Geschwistern Jesu,
zu Kindern des himmlischen Vaters.
Bleiben wir in diesem Zusammenhang
einen Augenblick beim Bild der Adoption:
wer adoptiert wird, bekommt einen neuen Platz,
oder bekommt überhaupt einen Platz – nicht aufgrund von Leistung,
sondern einzig schon wegen seines Daseins.

Es ist ein Platz für dich.
Das ist nicht immer die Erfahrung von Menschen,
wenn sie sich als Störfaktor empfinden, als nicht gewollt,
vielleicht sogar gesagt bekommen: wir wollten nur zwei Kinder –
und dann kamst du auch noch.
Menschen finden nicht immer und unbedingt ihren Platz:
werden beschnitten, weil sie Frau sind, weil sie eine farbige Haut haben,
weil sie kleinwüchsig sind, eine Behinderung haben,
weil sie aus der Reihe schlagen, anders sind, irgendwie schrullig,
in Armut hinein geboren werden,
weil sie nicht gefördert werden, mit ihren Begabungen nicht erkannt.

Es ist ein Platz für dich.
Die in der Taufe gegründete und begründete Familie Gottes
ist keine heile Familie:
zu ihr gehören Menschen,
die Unheilvolles erfahren haben oder in sich tragen,
„Unauffällige und Schrille, Musterfamilien und Beziehungschaoten,
Heilige und Gauner, Asketen und Huren, Bankiers und Müllmänner,
herzlich Fröhliche und abgrundtief Traurige,
Glaubende und Zweifelnde“ (Stefan Scholz).
Zu ihr gehören Menschen, die mit der Zusage Gottes:
„Du bist mein geliebtes Kind“ verbinden:
ich darf sein mit allem, was mich ausmacht,
ich werde nicht beschnitten, ich bin niemandem im Weg, ich störe nicht;
ich habe hier endlich einen festen Platz,
einen Entfaltungsraum.
Nicht meine Herkunft entscheidet, nicht das, was war,
sondern das, was ist.
Und das, was ist, ist: Gott nimmt an
und macht mich dadurch eigentlich erst richtig möglich:
eine neue Geburt nennen wir das:
in der Taufe neu geboren aus Wasser und Geist.

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