Sonntag nach Weihnachten 2024 Hl. Familie
Sie haben ihn verloren.
Es fällt ihnen zunächst gar nicht auf.
Die meisten Entwicklungen und Veränderungen merken wir erst,
wenn sie längst schon begonnen haben und im vollen Gang sind.
Aufhalten können wir sie eh nicht.
Maria und Josef können Jesus nicht aufhalten:
Nicht nur dieses Evangelium erzählt davon.
Jesus setzt sich ab.
Er fühlt sich woanders hingezogen.
Er ist anders, als seine Eltern es erwarten,
er ist anders als die Menschen es erwarten.
Das Zuhause gibt ihm nicht, was er braucht;
genau gesehen scheint es gar nicht sein Zuhause zu sein.
Diesen Hauch des Fremden
durchwehen die weihnachtlichen Erzählungen von Anfang an.
Eine klassische Familie, wie es erscheinen könnte, ist diese Familie nicht.
Sie kennen ihren Jesus nicht;
sie vermuten ihn, als sie ihn suchen, nicht da, wo er wirklich ist.
Es bleibt herausfordernd zu begreifen, wo jemand anderes Zuhause ist,
wo er aufzublühen scheint, mittendrin ist, wo er sich wohl und ganz fühlt.
Maria und Josef müssen dazu zurückkehren, um nicht zu sagen: Umkehren.
Sie müssen sich von Jesus sagen lassen, was sein Zuhause ist.
Sie kommen von selbst nicht darauf.
Sie staunen nicht nur, sie empfinden es als zugefügten Schmerz:
„Kind, warum hast du uns das angetan?“
Das Verschwinden Jesu
zählt zu einem der sogenannten 7 Schmerzen Mariens.
Jesus gibt mit seiner Antwort zu verstehen, dass er nicht anders kann;
auch wenn seine Antwort, die vor allem eine Verortung ausdrückt,
von seinen Eltern nicht verstanden wird.
Das Unverständnis nimmt er in kauf.
Es wirkt ja fast wie ein aneinander vorbei reden:
Maria spricht davon, dass sein Vater und sie Jesus gesucht haben;
Jesus spricht in seiner Antwort ebenfalls vom Vater
und meint den himmlischen.
Die gleichen Worte – unterschiedlich gefüllt und gefühlt.
Diese Geschichte markiert einen Wendepunkt.
Es ist die Schwelle zum Erwachsenwerden.
Ein weiteres Zusammenleben dieser drei kann nur gehen,
wenn die Verhältnisse klar sind, wenn Maria und Josef Jesus lassen.
Darum steht es nebeneinander: Jesus war Maria und Josef gehorsam –
und: Maria bewahrte all die Worte in ihrem Herzen.
Sie haben sich ihr eingeprägt,
sie werden von da an ihr Verhalten beeinflussen.
Verloren gegangen ist den beiden
das Kind nach ihren Vorstellungen und Erwartungen,
gefunden haben sie jemanden, der sich selbst und seine Verwurzelung
nicht nur entdeckt hat sondern auch ins Wort bringt.
Sie hören, wer Jesus wirklich ist.
So halb zumindest – oder auch noch gar nicht so.
Schließlich berichtet der Evangelist Markus einmal,
wie die Angehörigen von Jesus sich aufmachten,
um ihn mit Gewalt zurückzuholen; sie sagten: Er ist von Sinnen.
Kaum vorstellbar, es wäre ihnen gelungen: Sie hätten ihn eingefangen,
er wäre die Wege gegangen, die die Angehörigen lieber gesehen,
als angemessener, als richtiger empfunden hätten.
Vermutlich wüssten wir von ihm nichts.
Seine Gotteskindschaft wäre verborgen geblieben,
vielleicht sogar verkümmert, nicht entfaltet allemal.
Und arm wäre das Leben vieler Menschen…