Darstellung des Herrn 2020
Wie schön, wenn sich Hoffnungen erfüllen.
Wie schön, erleben zu können, es war nicht umsonst,
worauf ich gewartet habe,
es war keine Täuschung, der ich mein Leben lang nachgelaufen bin.
Wie schön, eintreten zu sehen, von dem ich geglaubt habe,
es muss unbedingt kommen.
Simeon und Hanna, diese beiden alt gewordenen Menschen, erleben es so.
Was möchten Sie in Ihrem Leben unbedingt (noch) erleben? Wer oder was muss eintreten,
um wie Simeon sagen zu können: ich habe Heil gesehen,
Wer oder was muss eintreten, um mit Hanna Gott zu preisen?
Ich finde, diese Frage hat es in sich:
Worauf bin ich in meinem Leben zutiefst gespannt?
Worauf hin richtet sich all meine Hoffnung?
Und haben Hoffnungen nur dann ihren Grund, ihre Berechtigung, wenn sie sich auch wirklich erfüllen?
Wer will schon mit seiner Hoffnung „alt aussehen“…
„Viele Propheten und Gerechte haben sich danach gesehnt zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.“
überliefert der Evangelist in seinen Aufzeichnungen ein Wort von Jesus. Denn dies gibt es ja auch und zu genüge:
Menschen hoffen – und es trifft nicht ein,
etwa, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt, und sie erleben es nicht mehr; etwa, dass ihre Überzeugungen, für die sie gekämpft haben, sich erfüllen, und es geschieht nicht zu ihren Lebzeiten.
Gerade auch in der Kirche und in der Kirchengeschichte
sind Menschen für etwas eingetreten, aufgestanden,
was sie als wahr und notwendig angesehen haben,
und haben die Verwirklichung nicht erlebt,
sind vielleicht sogar verlacht worden, als Spinner abgetan,
als nicht recht glaubend.
Wenn in unseren Tagen Menschen in der Kirche sich stark machen
für eine geschlechtergerechte Kirche, für eine erneuerte Sexualmoral,
für eine Gewaltenteilung, dann wissen sie dennoch nicht,
ob sie das, wovon sie fest überzeugt sind,
überzeugt sind auch, weil es ihnen ihr Glaube sagt,
ob sie das noch erleben, schauen werden –
oder ob ihnen möglicherweise gesagt und signalisiert wird:
du irrst, du glaubst nicht richtig; oder: du erwartest zu viel auf einmal,
die Zeit ist noch nicht reif.

Im Grunde versammeln wir uns hier um einen,
der die Erfüllung seiner Hoffnungen Zeit seines Lebens nicht geschaut hat. Und wieviel seiner Hoffnungen sich bis heute erfüllt haben,
ist eine berechtigte Frage…
Wie gehen wir damit um, wenn der Bogen der Erwartung,
der Bogen der Hoffnung an Spannkraft verliert?
Oder wenn wir ahnen, dass Erfüllung nicht unbedingt erlebbar wird? Werden Hoffnungen deswegen unwahr –
oder verabschieden wir uns von ihnen?
Hanna und Simeon, die beiden Glücklichen,
erfahren und schauen noch in ihrem Leben.
Es lohnt sich – ist die Botschaft, die bei uns ankommen soll.
Es lohnt sich, die tief im Herzen wohnenden Überzeugungen zu pflegen, sie zu bewahren, sie nicht aufzugeben.
Dennoch: mindestens eine von den beiden, die Prophetin Hanna,
ist mit Nackenschlägen vertraut:
ihren Mann früh verloren war sie eine Witwe ohne Rechte,
ohne finanzielle Sicherheit.
Sie hatte nichts.
Sie hatte nur ihre Hoffnung, diese war ihr Lebensraum, den sie bewohnte. Was für eine starke Frau.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nach der Devise lebte:
„mir bleibt nichts anderes übrig als zu hoffen“;
im Gegenteil:
all die negativen Erfahrungen haben ihre Hoffnung nicht zerstören können.
Wie schön, wenn Hoffnungen sich erfüllen,
denn dazu sind sie ja schließlich da.
Aber genauso schön, vielleicht sogar noch schöner, mindestens genauso überzeugend
wenn Menschen am Ball ihrer Hoffnungen bleiben, auch wenn sie ihn nicht erreichen.

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