C 4 2019, Lk 4, 21-30
Von Anfang an schildert uns das Lukasevangelium Jesus als einen,
der sich nicht eingrenzen lässt.
Ist das nicht Josefs Sohn? fragen die Leute.
Der Versuch einer ersten Einordnung, die besagt:
Der ist einer von uns. Der singt die gleichen Lieder wie wir,
der zieht durch die gleichen Straßen, feiert die gleichen Feste.
Ein Hausheiliger, ein Mann für alle Fälle in unmittelbarer Nachbarschaft.
Ein bestellter Mann in der Synagoge, dessen Worte man beklatschen kann,
der aber dann auch dafür zu sorgen hat, dass es etwas zu klatschen gibt.
Jemand nach unserer Vorstellung, nach unserer Erwartung,
nach unserem Weltbild.
So ähnlich scheint es Jesus wahrzunehmen.
Darum die Erinnerung an zwei Begebenheiten aus der Hl. Schrift:
Das Mehlwunder durch den Propheten Elija bei der Witwe von Sarepta
zur Zeit der großen Hungersnot.
Ganz Israel hungert – aber Gott hilft nicht den Israeliten,
sondern einer Witwe aus Sarepta in Sidon,
einer Ausländerin, einer Nichtjüdin;
einer, der Gott nach der Vorstellung der Frommen
gar nicht hätte helfen dürfen.
Und die Geschichte mit Naaman zur Zeit des Propheten Elischa.
Damals gab es in Israel viele Aussätzige – aber geheilt wird einer aus Syrien: Wieder ein Ausländer, wieder ein Ungläubiger,
einer, der es nach der Auffassung eines frommen Juden
überhaupt nicht verdient haben kann.
Es sind Geschichten von Gott, der anders ist,
der nicht so handelt, wie es sich die Leute vorstellen,
der sich auch von der Theologie, von kirchlichen Ansichten
nicht vereinnahmen lässt.
Landes- oder Religionsgrenzen, auch Grenzen in den Köpfen von Menschen
sind von Menschen ersonnene und gefundene,
das Empfinden und Sinnen Gottes ist ein anderes.
Die Zuhörenden in der Synagoge verstehen, was Jesus ihnen sagen will.
Ich bin nicht euer Zirkuspferd, das sich schön im Kreise dreht,
an eurer Leine gehalten.
Und mein Vertrauen in Gott und in Seine Liebe ist grenzenlos.
Ich bin nicht nur der Sohn Josefs.
Hierher gehört dann auch die Aussage, die wir im Glauben bekennen:
Jesus, geboren von der Jungfrau Maria: keine biologische Aussage,
sondern eine, die besagt, dass Er mehr ist,
sich vom Menschen allein nicht herleiten lässt.
Das halten die Menschen in der Synagoge nicht aus,
und das halten seitdem viele, auch in der Kirche, nicht aus,
zumindest dann nicht, wenn das Bestreben dahin geht,
genau zu wissen, was der Wille Gottes ist,
wen Er ruft und beruft und wen Er nicht ruft und nicht beruft,
oder wenn Buchstabe und Tradition höher eingeschätzt werden
als die Gegenwart und die sich in ihr abbildende Wirklichkeit.
Schon die sogenannte Antrittsrede Jesu in der Synagoge
endet mit einem Todesurteil.
Dass Jesus nicht nur der Sohn Josefs ist, nicht nur der Zimmermann,
dass Er nicht nur aus Nazaret stammt,
dass Er weitaus mehr ist als das,
was die Menschen in ihren Köpfen haben,
sprengt jede Vorstellung und jedes „ein für allemal“.
„Erfüllung“, so beginnt Jesus Seine Rede, ist immer „Heute“,
ist immer gegenwartsabhängig.
Das heißt: Gott ist nicht der Festgeschriebene, der Eingeordnete,
der im menschlich gesetzten Rahmen Bleibende,
Er ist größer als jede Kirchenordnung und jedes Theologenwort.
Man kann auch sagen: unbequem, herausfordernd,
in und mit der Zeit gehend, unvorhersehbar,
mehr als eine Anfrage an alle, die von Ihm sprechen.
Das spüren die Leute in der Synagoge ganz genau,
dass sie selbst in Frage gestellt sind,
ihr Reden, ihr Wissen, ihre Position, ihre Macht.
Aber sie möchten bleiben, sich selbst erhalten,
sich eben nicht in Frage stellen lassen.
Und darum muss Jesus weg.
Letztlich bringen Ihn menschliche oder sogar theologische Vorstellungen um.
Und heute?