C 31 2019 Lk 19, 1-10
Er wollte Jesus sehen.
Aus Neugierde? Musste man Ihn gesehen haben, um mitreden zu können?
Aber mit wem sollte Zachäus schon über Jesus reden?
Die Leute mochten die Zollpächter nicht.
Oder trug Zachäus in sich die Hoffnung,
Jesus zu sehen würde etwas in seinem Leben bewirken?
Und wenn, was?
Wir wissen es nicht.
Was wir neben seinem Namen und Beruf noch wissen ist,
dass er klein war.
Das ist vermutlich nicht einfach so notiert, sondern von Bedeutung.
Schließlich beeinträchtigt ihn seine Körpergröße,
sie beeinträchtigt ihn auch in dem Vorhaben, Jesus zu sehen.
Die Menschenmenge versperrt ihm die Sicht.
Der kleine Mann hat keine Chance.
Er sieht nicht – und wird nicht gesehen.
Niemand sagt: lasst den Kleinen mal nach vorn.
Ob es anders wäre, wenn er nicht Zollpächter gewesen wäre?
Wenn er nicht so viel Geld eingetrieben hätte?
Auch das wissen wir nicht – könnte uns aber zur Gewissensfrage werden:
wie ist das bei uns mit den Übersehenen, den zu kurz Gekommenen,
den klein Gebliebenen?
Lassen wir sie vor?
Oder neigt die Menschenmenge Kirche ebenfalls dazu,
die Sicht auf Jesus zu versperren?
Hauptsache, ich hab einen Blick, einen Zugang,
was andere sehen oder auch nicht sehen können, übersehe ich.
Ist also die Menschenmenge Kirche, die Jesus sehen möchte,
eine Menge, die die Kleinen im Blick hat?
Die sich auch umsehen kann, um wahrzunehmen,
wer vielleicht nicht mitkommt, keine Chance hat, wer abgehängt wird?
Und die ihnen hilft, auch zu sehen?
Oder zählen nur die großen, die gerade gewachsenen,
die sich selbst behaupten können?
Zachäus klettert auf einen Baum.
Das hat er ein Leben lang versucht, aus seinem Leben das Beste zu machen,
sich selbst groß zu machen.
Offensichtlich mit dem Erfolg, dass er zwar keine Freunde hat,
aber ordentlich Geld.
Mit diesem Verhalten ist er nicht der einzige.
Wenn Sie eine Möglichkeit finden, viel Geld zu verdienen:
warum würden Sie es nicht tun?
Und wenn das viele Geld für Sie der Ausgleich wäre
für irgendein Defizit in ihrem Leben, würden Sie darauf verzichten?
Sich über Zachäus erheben ist leicht,
wenn man das Gefühl von Kleinheit nicht kennt,
wenn man nur seinen eigenen Blick, seine eigene Position zulässt.
Die Menschenmenge verhält sich so,
die Menschenmenge Kirche auch, wenn sie sich selbst schützen will
und alle, die nicht mitkommen können, übersieht.
Jesus sieht Zachäus.
Um ihn sehen zu können, verändert Er sogar Seine Blickrichtung.
Sein Gespür scheint Ihm zu signalisieren,
was Menschen wirklich möchten, was in ihnen wohnt.
Sein Herz lenkt Seinen Blick dorthin,
wo Menschen darauf warten, gesehen und wahrgenommen zu werden.
Jesus sieht den kleinen Mann, auch wenn er sich groß macht.
Er schenkt ihm das, was die Menge nicht bereit ist, ihm zu geben:
Aufmerksamkeit.
Er macht nicht zur Voraussetzung seiner Tischgemeinschaft mit ihm,
dass Zachäus sein Leben ändert;
vielmehr wird die Tischgemeinschaft die Voraussetzung dafür,
dass Zachäus sein Leben ändert.
Das ist die Reihenfolge des Glaubens:
gesehen werden, angesprochen werden, gebraucht werden,
Mahl halten –
es wird nicht ohne Folgen bleiben.