A 27 2020 Mt 21, 33-44
Ein trauriges Gleichnis.
Eine Mordsgeschichte.
Die Geschichte Gottes mit den Menschen ist eine Mordsgeschichte.
Sie gipfelt in der Hinrichtung Seines Sohnes.
Gleichgültig, ob wir dieses Gleichnis lesen als eine Art Vorhersage,
die Jesus auf Seinen eigenen Tod hin macht,
oder ob wir es lesen als eine nachösterliche Deutung des Todes Jesu:
der Inhalt bleibt der gleiche.

Wir treffen auf das Bild des Weinbergs.
Weinberg des Herrn – noch heute ein geflügeltes Wort in der Kirche,
für die Kirche.
Er steht für das Übertragene und Anvertraute,
also für das, was uns nicht gehört.
Da könnten wir innehalten, und jede und jeder von uns sich fragen:
für wen bin ich Winzer?
Was ist mir anvertraut, welche Menschen, welche Aufgaben?
Wem soll ich zum Wachsen verhelfen, zur Reife, zum Leben,
ohne daran zu denken: was habe ich davon, was springt für mich raus?
Und welch einen Blick habe ich auf mein eigenes Leben?
Ein anvertrautes Gut, das mir letztlich nicht gehört,
oder eine Gegebenheit,
aus der ich so viel wie möglich für mich selbst herausholen kann?

Die Winzer im Evangelium betrachten ihre Arbeit
als Mittel zur eigenen Bereicherung.
Sie wollen die Früchte für sich, sie wollen etwas davon haben.
Unsere Beziehungen können sich so gestalten,
dass die oder der andere nicht anvertraut erscheint,
sondern den eigenen Bedürfnissen unterstellt ist.
Genau so kann ich mein eigenes Leben betrachten,
Raubbau mit meiner Gesundheit treiben in der Absicht,
am Ende ganz viel davon für mich selbst zu haben:
je mehr Früchte, um so besser das Leben.
Letztlich kreist alles um die Frage:
wie sehe ich mich und mein Leben?

Das ist die persönliche Ebene, die dieses Gleichnis hat.
Da es Jesus aber
ausdrücklich an die Schriftgelehrten und Pharisäer adressiert,
hat es noch eine weitere Ebene, die das Leben des Glaubens betrifft.
Wie lebst du als Christ, als Priester, als Bischof deinen Glauben?
Besitz oder anvertraut?
Besitz kann bedeuten: ich hab meinen Glauben, das genügt mir.
Aus diesem Glauben möchte ich ganz viel Nutzen ziehen,
ich lass mir von niemandem hinein reden. Ich bin Herr im Haus.
Anvertraut kann bedeuten: Verfolgt das, was ich lebe und tue, das Ziel,
was ich mit Gott in Verbindung bringe:
Ein friedliches Miteinander, Versöhnung, Geschwisterlichkeit?
Gibt es wirklich nur den einen Herrn, vor dem wir alle gleich sind?
Allein unsere kirchliche Organisation
widerspricht schon dem Gedanken der Gleichheit;
und wenn Menschen sich an die Stelle des Gutsbesitzers,
an die Stelle Gottes setzen, lauert die Gefahr religiösen Missbrauchs.
Jesus scheint in den Pharisäern und Schriftgelehrten
eine Variante der Religionsausübung zu erblicken,
die der Selbstbereicherung dient und Benachteiligte nicht im Blick hat.

Bislang haben wir den Weinberg als Symbol für das eigene Leben
oder für die Kirche gesehen.
Vielleicht gibt es noch eine dritte Perspektive:
Die Beantwortung der alten Katechismusfrage: „Wozu sind wir auf Erden?
Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen,
und dadurch in den Himmel zu kommen!“
hat etwas Verräterisches,
in der Sprache dieses Evangeliums etwas Möderisches,
wenn Gott und die Erkenntnis Gottes als ein persönlicher Besitz erscheint.
Der Gott, an den wir glauben, ist nie nur „Mein“ Gott,
der Gott für mich und mein Seelenheil und meinen Himmel;
immer hängt alles mit daran,
Gotteserkenntnis bedeutet,
aus der wahrgenommenen Kraft Seiner Fürsorge für mein Leben
selbst fürsorgend für das Leben anderer zu sein.
Gottesliebe gibt es nicht ohne Menschenliebe.

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