A 14 2020 Mt 11, 25-30
Hört man das Evangelium heute isoliert,
so wie es uns im Gottesdienst angeboten wird,
könnte man meinen, Gott habe etwas gegen Weisheit und Klugheit
und Jesus singe ein Loblied auf die Unmündigkeit.
Weltlichen Herrschern mag es gefallen,
wenn ihnen auch geistig alle unterlegen sind.
Für weltliche Herrscher ist es einfacher,
wenn sie nicht hinterfragt werden sondern durch regieren können.
Und mitunter kann man den Eindruck gewinnen,
dass es den kirchlichen Fürsten und Machtinhabern der Kirche
ebenfalls entgegen kommt, Menschen wie unmündige Schafe zu behandeln.

Sollte Gott so sein?
Diesen Satz, in dem Jesus den Vater preist,
weil er etwas vor den Weisen und Klugen verbirgt,
es aber den Unmündigen offenbart,
versteht man so ohne weiteres nicht.
Wir glauben Gott so nicht mehr,
dass Er Menschen bewusst die Augen verschließt,
um ihnen etwas vorzuenthalten.

Wir brauchen eine Verstehenshilfe,
was genau hier mit Weisheit und Klugheit und Unmündigkeit gemeint ist.
Wir brauchen den Zusammenhang, in dem diese Worte stehen.
Unmittelbar vor diesem den Vater preisenden Wort Jesu
beschreibt der Evangelist,
dass es das prophetische Wort schwer hat und kein Gehör findet,
dass es die Propheten selbst schwer haben.
Jesus reiht sich hier ein, wenn Er sagt:
Johannes isst und trinkt nicht, die Leute sagen: Er hat einen Dämon.
Der Menschensohn isst und trinkt, die Leute sagen:
Ein Fresser und Säufer, ein Freund der Zöllner und Sünder!
Wenn dann von Weisheit oder Klugheit gesprochen wird,
geht es weniger um wirkliche Erkenntnis als vielmehr darum,
sich der Erkenntnis der Propheten geschickt zu entziehen.
Die Menschen finden Ausreden, um die Worte des Johannes,
um die Worte Jesu nicht an sich heran zu lassen.
Wer sich allerdings am meisten den Worten Jesu zu entziehen suchte,
das waren eben nicht die einfachen Leute, die möglicherweise Ungebildeten,
die sich vielleicht sonst nicht trauten, ihren Mund zu gebrauchen,
weil man ihnen sagt: sei still. Du hast nichts zu sagen.
Wer sich den Worten Jesu entzog,
das waren die Schriftgelehrten, die sich gebildet wägten,
denen man nicht widersprach,
die von oben herab auf das für sie „ungebildete Volk“ schauten.

Wie tröstlich:
Die Sympathie Gottes ist mit den Unmündigen, den Mundtoten,
den Benachteiligten, den Beladenen, den Ausgenutzten,
mit denen, die ihr Päckchen zu tragen haben.
Situationen, in denen Menschen gespiegelt bekommen,
sie seien unmündig, sie verstehen alles nur nicht richtig,
gibt es genug:
in der Kirche nach wie vor die Unterschiedlichkeit
in der Rollen- und Ämtervergabe für Frauen und Männer,
oder der im Grunde zähe Stillstand in den ökumenischen Fragen
des aufeinander zu;
gesellschaftlich politisch die Unsummen, die in die Rüstungsindustrie fließen
statt in die Bekämpfung von Hunger, Armut und Bildungsmangel,
oder aktuell die wieder aufkommenden Fragen nach der Massentierhaltung,
dem elenden Leben und Sterben vieler Tiere
nur um in die Mägen von Menschen zu gelangen.

Unmündig ist, wer entmündigt ist oder unter Vormundschaft gestellt wurde.
Das Loblied Jesu auf die Unmündigen verstehe ich nicht so,
als wolle Er sagen: bleibt leise. Fügt euch. Andere sprechen für euch –
im Gegenteil, bedeutet es nicht:
Gott ist euch nahe, Gott selbst stärkt euch den Rücken?
Er öffnet euch den Mund?
Wird das Loblied Jesu auf die Unmündigen nicht sogar zum Beweggrund,
um nicht zu sagen: zur Verpflichtung,
den eigenen Mund zu gebrauchen?

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