A 23 2020 Mt 18,15-20
Ein ganzes Regelwerk stellt Matthäus auf, eine Gemeindeordnung. Ob Jesus so gedacht hat, ist zumindest fragwürdig.
Wenn dein Bruder, deine Schwester gegen dich sündigt…
Sicherlich gibt es manches, was wir eindeutig als Sünde, als schlecht,
als schlechtes Verhalten bezeichnen.
Je weiter ein Mensch uns entfernt ist,
um so eher malen wir schwarz weiß und legen uns unsere Meinung zurecht. Anders verhält es sich, wenn uns jemand nahe ist,
das Evangelium sagt: dein Bruder.
Bei einem uns nahen Menschen
wissen wir möglicherweise um Gründe für schlechtes Verhalten,
sehen Zusammenhänge, können uns manches erklären,
sagen am Ende vielleicht sogar:
ich wäre – hätte ich erlebt, was du erlebt hast,
hätte mich geprägt, was dich geprägt hat, –
vermutlich genauso geworden wie du.
Bis hierher spricht Matthäus ungefähr die Sprache Jesu:
Geh hin zu dem, von dem du glaubst, er verhält sich falsch.
Sprich nicht mit anderen darüber, verurteile nicht,
frag direkt nach. Erkundige dich.
Zurechtweisen klingt schon eher danach, dass du es besser weißt,
die Rollen sind dann klar verteilt.
Aber mit einem Besserwisser an der Seite
wird das eigene Leben nicht besser,
eher mit einem, der sich interessiert,
der durch seine Einsicht einsichtig macht.
Jesus selbst verhält sich so.
In Ihm treffen wir
auf die Bewegung Gottes hin zu jedem einzelnen Menschen. Seine Begegnungen sind immer persönlich.
Er nimmt nicht ein oder zwei als Zeugen mit,
geschweige denn eine ganze Versammlung.
Was sich in der persönlichen Zuwendung nicht löst,
löst sich das wirklich durch aufgebotene Mehrheiten?
Vielleicht ist nicht auszuschließen,
dass Matthäus das doch irgendwie ahnt und darum weiß.
Denn wenn er im dritten Gang schreibt:
„dann sei er für dich wie ein Heide oder Zöllner“,
bedeutet das doch eigentlich gerade auch für diesen Evangelisten: dann verdient er Gottes besondere Aufmerksamkeit;
denn so ist Jesus umgegangen mit Zöllnern und Heiden:

Er hat sie als Menschen gesehen, als der Liebe bedürftige Menschen, die mitunter anders handeln als sie wollen, die sich verlaufen,
denen man übel mitgespielt hat, die anderen übel mit spielen,
aber die nichts mehr brauchen als jemanden, der sich ihnen zuwendet, ihnen zuhört und sagt:
Fang noch einmal neu an. Du bist mir nicht egal.
Und vor allem, was du tust, zählt, dass du bist. Genauso hören wir immer wieder von Jesus
und Seinem unterwegs sein: den Menschen aufhelfend.
Am Ende dieses Evangeliums klingt dann doch an,
dass Matthäus um die positive Wirkkraft der vielen, der Gemeinde weiß: wo Menschen sich im Namen Jesu versammeln,
auch wenn es nur zwei oder drei sind,
da lebt Sein Geist und damit Seine Barmherzigkeit auf,
da ist Er selbst zugegen.
Mehr noch:
das, was als Binde-und Lösegewalt dem Petrus im Matthäusevangelium zwei Kapitel vorher übertragen wurde,
überträgt Jesus hier nicht exklusiven Amtsträgern,
sondern der Gemeinde, die bei zwei oder drei beginnt.
Ich finde, das ist eine viel zu wenig beachtete Aussage,
denn sie relativiert die Position von Amtsträgern zugunsten all jener,
die sich im Geist Jesu versammeln.
Und sie ermöglicht unterschiedliche Antworten und Vorgehensweisen
in verschiedenen Gemeinden an verschiedenen Orten.
Gottes Wege sind eben nicht einheitlich, sie sind individuell.
Und vielleicht sind die Wege, die wir gehen, nur dann Gottes Wege, wenn sie den einzelnen im Blick haben, stützen und tragen.

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