C 24 2019, Ex 32,7-11.13-14
Das ist doch – vorsichtig ausgedrückt – sehr seltsam:
Menschen beten ihr gegossenes Kalb an –
und Gott reut es, dass Er darüber erzürnt.
Eigentlich sollte man doch das Umgekehrte erwarten:
dass es den Menschen reut,
das Machwerk seiner Hände dem lebendigen Gott vorzuziehen.
Nahezu die gesamte biblische Geschichte
finden wir in dieser Exoduslesung zusammengefasst:
menschliche Irrwege und Gottes Heilswege.
Und wir finden,
wovon wir alltäglich leben und was wir sonntäglich bekennen:
Gottes Barmherzigkeit.
Die Lesung beschreibt ein Bild vom Menschen:
sie sieht ihn geblendet von Gold, aus auf Sichtbares,
auf der Suche nach Gegenständlichem, das er verehren kann,
dem seine ganze Aufmerksamkeit gilt,
selbst Geschaffenes, wovor er niederfällt.
Materielles wird ihm zum Gott.
An die Stelle des unfassbar großen Gottes tritt Fassbares.
Selbst unsere Kirchen sind nicht frei davon:
Geschaffenes und Vergoldetes glänzt
und steht in Gefahr, wichtiger zu werden als Gottes Wirklichkeit.
Das gilt für Gegenstände,
aber das gilt auch für Gewachsenes:
wir formen und gestalten Glaubensleben, Glauben, Kirche
und sagen: das ist (von) Gott.
Wir gießen Traditionen, Gewohnheiten, Strukturen und beten sie an.
Aus lebendigem Glauben wird erstarrte Routine,
aus begeisterten Aufbrüchen ein Standbildchristentum.
Wir wollen das fassbare, das griffige, das immer gleich bleibende –
und sorgen dafür, dass es möglichst lange bleibt.
Das Bild des gegossenen Metall wird somit zum Bild für den Menschen:
starr und unbeweglich, im Grunde sich selbst verehrend.
Dagegen erscheint Gott in großer Beweglichkeit:
Er lässt Sein Herz bewegen.
Der, der mit Seinem Zorn menschlich verständlich
auf das Verhalten der Menschen zu handeln gedachte,
wählt den Weg des Erbarmens.
Der, der hier die Reue des Menschen hätte einfordern können,
zeigt selbst Reue dafür, dass Er einen Augenblick lang reagieren wollte,
wie wir Menschen es meist tun.
Schon hier gibt es so etwas wie Stellvertretung;
ein Wort, das man viel später brauchen wird für das Kreuz Jesu:
Gott bereut anstelle des Menschen,
Gott nimmt in Seinem Sohn anstelle des Menschen das Kreuz auf sich.
Er lässt sich bewegen.
Er setzt nicht auf das immer Gleiche und Festgegossene,
so wie es im Bild vom goldenen Kalb glänzt;
Er setzt auf bewegliche und sich verändernde Menschen.
Und indem Er auf Menschen setzt und an ihre Veränderung glaubt,
wird etwa aus einem Mörder wie Mose einer,
der das Volk in die Freiheit führt,
und entspringt dem Stammbaum des eiskalten Verführers David
der Messias.
Manchmal scheint es,
dass wir gar nicht erkennen, wieviel Metall wir als Kalb gießen,
vor dem wir uns nieder werfen.
Die Gefahr lauert im Grunde schon da,
wo wir einen Funken einfangen wollen,
einer Idee eine Form geben, dem Glauben ein Gesetzbuch,
dem lebendigen Gottesvolk ein Haus aus Steinen.
Wir brauchen das Sichtbare und die Form,
aber nur, um den Unsichtbaren, den Unfassbaren anzubeten,
um mit Ihm in Berührung zu kommen.
Alles andere macht uns selbst zu kaltem Metall.