B 11 2018 Mk 4, 26-34
Wachstumsgleichnisse.
Alles ist aufs Wachsen angelegt:
jedes Samenkorn, jeder Mensch, jede Wirtschaft.
Niemand will klein bleiben, unscheinbar, verborgen.
In der Natur liegt der Drang nach außen, das Aufbrechen,
das stärker und größer werden, das sich Vermehren.
Beim Hören des heutigen Evangeliums mag der gleiche Eindruck entstehen.
Wachsen.
Jeder Verein will möglichst viele Mitglieder –
ist die Religion, ist das Christentum genauso?
„Macht ALLE Menschen zu meinen Jüngern“
heißt es im Taufauftrag Jesu an die Jünger im Matthäusevangelium.
Wo viele sind, wohin die Mehrheit sich bewegt, verspricht Sicherheit.
Die Mehrheit gibt vor, was als normal zu gelten hat,
als wünschens- und erstrebenswert.
Mitunter entlastet es mich, ich kann mich anhängen,
es mindert mein Verantwortungsgefühl.
Wer will schon freiwillig einer Minderheit zugehören,
die um ihre Rechte kämpfen und die auf sich aufmerksam machen muss,
die es unter Umständen ertragen muss, belächelt zu werden,
vielleicht sogar missachtet?
Wir kennen wohl die Kehrseite, umschrieben mit „Masse statt Klasse“,
das gedankenlose Mitlaufen,
den Sieg einer mit den Füßen stampfenden und abstimmenden Mehrheit,
die es sich leicht macht.
Die innere Überzeugung geht verloren – oder es braucht sie gar nicht,
weil die Menge dieses Vakuum ausfüllt.
„Das machen doch alle so“ ersetzt das eigenständige Denken.
Wir spüren heute in den Kirchen,
was es bedeutet, Minderheit zu werden.
Wir spüren auch, was es bedeutet, zu sehr auf Zahlen zu schauen,
auf die Menge, die Sicherheit vorgibt und das Gefühl bestärkt,
auf dem richtigen Weg zu sein.
Wie werden wir wieder stärker? Wie können wir mehr Menschen erreichen?
Wie können wir größer werden?
„Dass die Kirchen wieder voll werden“…
Geht es dabei eigentlich wirklich darum,
Menschen etwas Gutes zu eröffnen oder mitzugeben –
oder geht es nicht auch und vielleicht noch viel mehr darum,
dass ich mich durch eine größere Zahl wieder mehr bestärkt sehen möchte?
Ich schaue nochmal auf das heutige Evangelium.
Es beginnt mit dem Kleinen, Unscheinbaren, fast Übersehenen.
Jesus konnte sich nun wirklich nicht auf die Menge berufen,
die Ihn bestärkt hätte – im Gegenteil:
die Menge wollte Ihn schwach, ohnmächtig, mundtot, mausetot.
Er hatte die Masse gegen sich –
sie gab keinen Rückhalt, kein Gefühl, richtig zu sein.
Die Masse gab das Gefühl: Du bist falsch, unerwünscht, neben der Spur.
Sie sagt: Mit dir gibt es keine Zukunft – und du selbst hast keine Zukunft.
Jesus bildet eine Minderheit aus, am Ende stand Er allein da.
Nichts sah nach Wachstum aus – aber alles nach Untergang.
Wäre Seine Devise gewesen,
wie bekomme ich mehr Anhängerinnen und Anhänger,
hätte Er viel diplomatischer sein müssen,
weniger Konfrontation, alles in einem erträglichen Maß:
ein bisschen mehr nach dem Mund reden hier,
ein bisschen mehr schweigen da – wie man das so macht,
wenn man groß raus will.
Das Wachsen, das Jesus im Blick hat, ist offensichtlich ein anderes:
es beginnt mit dem einsamen, auf sich selbst gestellten Samenkorn,
das so sehr um sich weiß, dass es sich ganz lassen kann.
Was daraus wird, liegt nicht in Seinen Händen,
Jesus sagt und tut das, was Er im Gespräch mit Gott hört und wahrnimmt.
Sein Rückhalt ist nicht der Beifall der Menge
oder eine große Zahl von Anhängerinnen und Anhänger,
Sein Rückhalt ist Gott.