C 20 2019 Lk 12,49-53
„Wenn wir diesen Artikel schreiben, riskieren wir Kündigungen“ –
sagte ein Reporter einer mittelgroßen Zeitung
dieser Tage in einem Gespräch.
Und er ergänzte: „Wir schreiben den Artikel trotzdem.
Natürlich wollen wir keine kleiner werdende Leserschaft,
aber wenn ein Artikel etwas hervorruft und bewegt,
dann sehen wir, dass wir einen Nerv getroffen haben.“
Eine mutige Entscheidung in Zeiten, in denen Menschen
auf sogenannte „Follower“ und „Likes“ erpicht sind,
auf Zustimmung in den sozialen Medien und darüber hinaus;
offensichtlich, weil das Selbstwertgefühl davon abhängt,
weil es gut tut, viele Stimmen hinter sich zu wissen.
Mitunter wird dem Applaus die Aufrichtigkeit geopfert.

Ähnliches kennen wir aus alltäglichen Begegnungen und Gesprächen:
Wo sage ich was? Kann ich immer meine Meinung kundtun?
Was wird es für Reaktionen geben?
Distanzieren sich möglicherweise Menschen von mir?
Diese Frage durchzieht ebenso unsere Kirchenlandschaft.
Die vielen Fragestellungen,
die derzeit in dem geplanten sogenannten synodalen Weg
aufgegriffen werden sollen,
rufen unterschiedliche Reaktionen hervor.
Immer wieder wird auch die Angst vor einer Kirchenspaltung
ins Wort gebracht:
dass Menschen sich abwenden, von der Kirche distanzieren
etwa dann, wenn Frauen auch den priesterlichen Beruf ausüben dürften.
Wenn in diesem Zusammenhang das Argument der Weltkirche fällt,
dann ist das eben auch
ein Argument der Angst vor dem Verlust von Ansehen,
wenn gesagt wird, dass es in vielen Ländern nicht mitgetragen würde,
wenn Frauen auch in der Kirche den Männern gleichgestellt wären.

Angst ist kein guter Ratgeber.
Auch nicht die Angst vor möglichen Reaktionen,
die man sich im Grunde nicht wünscht.

Einen Nerv treffen, um die Formulierung des Reporters aufzugreifen –
das ist etwas, was wir in jedem Fall mit dem Leben Jesu verbinden können.
Jesus hat den Nerv von Menschen getroffen: bis heute.
Die heftigen Reaktionen, die Er hervorgerufen hat,
letztlich Seine Verurteilung zum Tod verdeutlicht,
wie sehr Er für Seine Botschaft Ablehnung riskiert hat.
In diese Richtung gehend verstehe ich das heutige Evangelium:
„Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen?
Nein, sage ich euch, sondern Spaltung.“

Das Wort Gottes ist nicht eins,
das man nebenher hören kann wie eine Musik am Radio.
Von Anfang an ist es ein herausforderndes, ein Wort, das wirkt und bewirkt.
So hat es Jesus gelebt und den Kern des Gotteswortes frei gelegt.
Etwa in der Geschichte des Ähren raufens am Sabbat:
ist der Mensch für den Sabbat da oder der Sabbat für den Menschen?
Das soll heißen:
alles, was wir im Glauben bedenken und tun, hat eine Zielrichtung:
dient es dem Menschen, richtet es sich an seiner Bedürftigkeit aus,
an seinem Hunger, an seinem Mangel – oder hat es anderes im Blick:
eine große Anhängerschaft, den mächtigen Einfluss,
die Zustimmung der vielen?

Der Weg Jesu ist eindeutig:
Sein Nachgehen gilt dem einen verlorenen Schaf,
dafür lässt Er neunundneunzig im Stich,
hört zwar ihr Meckern und Blöken, aber lässt sich nicht beirren.

„Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen.“
Vielleicht müssen wir dieses Wort ein wenig umgangssprachlich übersetzen.
Wir kennen die Redewendung vom Feuer unterm Hintern machen,
und meinen damit etwas stark Antreibendes, etwas in Bewegung Setzendes,
etwas, das uns nicht ruhig sitzen lässt, was uns aufspringen lässt,
leidenschaftlich handeln machend.
Das Christentum ist eben keine Lehre, es bedeutet Leben,
Stehen und Gehen, Eintreten und Auftreten,
Widerstand und Risiko, Leidenschaft und Mut,
Ehrlichkeit und Auseinandersetzung –
und es hat Relevanz, wenn es den Nerv von Menschen trifft,
wenn es zur Ablehnung oder Zustimmung nötigt.

Pin It on Pinterest

Share This