2. Advent 2018 C Lk 3, 1-6
Wo ist dein Platz?
Wir hören von Johannes, dem Täufer.
Er bekommt seinen Platz zugewiesen:
kein Honig schlecken für ihn, wie wir wissen;
ein Platz, ein Ruf, der ihm das Leben kostet.
Ob er sich diesen Platz wohl selbst ausgesucht hätte,
wenn er von Anfang an um alles gewusst hätte?
Plätze werden zugewiesen.
So ist das zumindest in der Bibel –
wir nennen das die Berufungsgeschichten.
Leben und Ort sind zugedacht.
Aber wie ist das bei Menschen, die sich aufmachen, das Weite suchen?
Entscheiden wir nicht selbst über unsere Aufenthaltsorte,
entscheiden wir nicht, wo unser Platz ist?
Ich denke an manche Beziehungen,
wo Menschen zu Beginn ihrer Ehe zueinander gesagt haben:
mein Platz ist an deiner Seite.
Und es hat gestimmt – für eine Zeit lang, bis ihre Ehe zerbrach.
Ich entsinne mich eines Gespräches,
bei dem eine erwachsene Frau über ihren Vater sagte:
sein Platz war nicht die Familie,
eigentlich wollte er auch keine Kinder;
und damit hatten weder die Kinder, noch der Vater Platz in der Familie.
Ich stelle mir die inneren und äußeren Auseinandersetzungen
von Menschen vor, deren geschlechtliche Zuordnung nicht eindeutig ist,
die das Gefühl haben, im falschen Körper Zuhause zu sein.
Wo ist dein Platz?
Johannes nimmt den zugewiesenen ein – und hält ihn aus, bis ans Ende.
Aber die Bibel selbst kennt Beispiele, in denen sich Plätze ändern:
Petrus wird weggerufen von seinem Arbeitsplatz als Fischer,
Moses, der große Mann des Ersten Testaments, scheint seinen Platz
gar nicht richtig zu finden:
statt in der eigenen Familie ist er ausgesetzt in einem Binsenkorb,
nach dem Mord an einen Ägypter auf der Flucht,
dann das Volk Israel durch die Wüste führend,
und am Ende das Gelobte Land nur aus der Ferne schauen dürfend.
Lebensgeschichten – so verschieden, wie es Menschen gibt.
Von außen kann niemand sagen: das ist Dein Platz.
Eher ist es so, dass uns die Frage begleitet:
bin ich noch richtig hier an dieser Stelle?
Ist das noch mein Platz
in der Familie oder in der Beziehung, in der ich lebe,
an meinem Arbeitsplatz,
in der Kirche,
in der Stadt, in der ich wohne,
in dem Haus, dessen Wände mich umgeben?
Ich glaube nicht, dass wir immer freie Platzwahl haben wie in einem Theater,
wo der Kartenvorverkauf gerade erst beginnt.
Dafür sind schon zu viele Karten verkauft,
dafür ist schon zu viel geschehen im eigenen Leben und im Leben vor uns;
übrigens etwas, was die alte Lehre der Kirche Erbsünde nennt,
womit sie meint:
Menschen sind nie ein unbeschriebenes Blatt,
immer schon sind sie geprägt von allem:
der Umwelt, den eigenen Eltern,
den Belastungen und den Eigenheiten, die sie ausmachen:
alles schlägt sich nieder, schreibt sich ins Leben ein –
und macht unfrei.
Viele der – für noch so frei gehaltenen – Entscheidungen oder Platzsuchen
entlarven sich am Ende als unfrei,
und wir sehen auf einmal, was es war,
das uns zu einer Wahl oder Entscheidung gedrängt und gezogen hat.
Johannes der Täufer hat einen Vorschlag:
die Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden.
Wer umkehrt, hält an, unterbricht, besinnt sich,
schaut, in welch eine Richtung er geht.
Wer umkehrt, macht sich erneut auf Platzsuche.
Und wer sich dazu noch taufen lässt,
bekommt die Zusage eines neuen Anfangs,
den wir nicht nur einmal brauchen, sondern immer wieder –
denn getauft sein heißt: an der Seite Jesu immer neu anfangen dürfen.
Genau, Plätze sind ja nicht (nur) Orte im Stadtplan oder auf der Landkarte, sondern Standorte in Beziehungsgefügen, wie z.B. in der Familie. Und, (fast) egal, wo ich bin – ich nehme mich mit – und gestalte entsprechend meinem Sosein den Platz, den ich eingenommen habe. Entscheidend ist aber auch, ob man mich gestalten lässt und sein lässt.
Die Predigtreihe tut gut.