C 25, 2019, Am 8,4-7
20 km südlich von Jerusalem – in der Wüste Juda.
Ein Vieh- und Maulbeerfeigenbaumzüchter.
Ein kleiner Mann. Alltag.
Auf einmal tritt er auf. Nachher wird man sagen: von Gott berufen.
Ein Prophet.
Er hat was zu sagen.
Er sagt sich nicht: was kann ich als Einzelner schon bewirken,
meine Stimme wird untergehen.
Seine Stimme ist nicht untergegangen. Denn sie ist kräftig.
Sie schallt nicht mit im Chor der Lauten, der Reichen,
der Stimmungsmachenden und Tonangebenden.
Amos stimmt gegen sie an.
Er klagt an, dass die Reichen sich an den Armen bereichern.
Sie kaufen mit den gezahlten Bußgeldern Wein
und trinken ihn im Haus Gottes.
Sie liegen auf den Mänteln, die die Armen als Pfand gegeben haben,
weil sie anders nicht zahlen konnten.
Dabei gab es in Israel ein Gesetz:
Wer einen Mantel zum Pfand erhalten hatte,
musste ihn am Abend zurückgeben.
Der Mantel war nämlich zugleich die Decke des Armen für die Nacht.
Und Nächte in Israel sind kalt.
Die Reichen lassen es sich im Angesicht Gottes, im Haus Gottes
gut gehen – auf Kosten der Armen.
Amos hat es auf die Reichen abgesehen.
Er beschuldigt die Reichen in Samaria,
dass sie in Häusern mit Elfenbeinschmuck wohnen.
Sie trinken Spitzenweine aus großen Krügen, d.h. sie machen Saufgelage. Und das im Haus ihres Gottes,
während die Armen im Land nicht wissen, wie sie überleben sollen.
Die Reichen haben nicht nur ein Haus,
sie haben ein Haus für den Sommer und eins für den Winter.
Und nachdem sie die Armen ausgebeutet haben
und während sie das noch immer tun, meinen sie,
vor ihrem Gott ganz im Recht zu sein.
Sie feiern Gottesdienste mit üppigen Festen, zum Klang der Harfe grölen sie.
Amos steht auf. Er hat es satt.
Was er sagt, hat bis heute Relevanz.
Im gesellschaftlichen Leben, im kirchlichen Leben.
Sein Leben ist geprägt von Kultkritik und von Sozialkritik.
Wie gut, wie notwendig, dass es solche Menschen wie ihn gibt:
solche, die aufstehen, auftreten, ihre Stimme erheben,
sich nicht einschüchtern, abspeisen oder kaufen lassen;
die ihr Knie nicht vor den Bevorteilen, vor den Vermögenden beugen,
sondern vor den Benachteiligten, den Umvermögenden.
Das ist gelebte Caritas, die Schwachen im Blick, von ihnen ausgehend.
Das ist gelebter Glaube, die Benachteiligten im Blick, von Ihnen ausgehend.
Derzeit treten vernehmbar Menschen in der Kirche auf:
Frauen, Theologinnen und Theologen, Ordensleute, sogar einige Bischöfe.
Sie führen eine Amosklage.
Sie benennen, sie klagen, sie verschaffen sich Gehör.
Sie sagen sich nicht:
was soll meine kleine Stimme schon bewirken im Chor der Weltkirche.
Hätte es diese einzelnen Stimmen in der Vergangenheit nicht gegeben,
unsere Welt sähe anders aus.
Hätte es diese einzelne Stimme Jesu vor 2000 Jahren nicht gegeben,
wir säßen nicht hier,
wir hätten viele tröstende Worte nicht, wären ärmer an Hoffnung.
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Jesu Aufstehen ist unsere Auferstehung.