A 21 2020 Mt 16, 13-20
Das Binden und Lösen, das Jesus dem Petrus überträgt,
knüpft an die Rolle der Schriftgelehrten an.
Das Gesetz des Mose bedurfte immer einer zeitgemäßen Auslegung,
dafür sorgten die Schriftgelehrten.
Als Jesus dem Petrus diese Aufgabe des Binden und Lösen überträgt,
gibt Er ihm zugleich die Schlüssel des Himmelreiches.
Alles, was Petrus und in dessen Folge die Kirche demnach tun soll ist,
Gottes Willen so auszulegen,
dass den Menschen das Himmelreich aufgeschlossen wird.
Diesen Auftrag erfüllt Kirche nicht unbedingt als Erfolgsgeschichte,
zumal, wenn wir mit in den Blick nehmen, wie die Zahl derer,
die an ein Himmelreich glauben, immer geringer wird.
Vielleicht macht die Art und Weise,
wie Kirche das übertragene Binden und Lösen versteht und ausführt,
Menschen kaum „Appetit“ auf das Himmelreich.
Ich sage bewusst Appetit, denn in der Verkündigung Jesu
ist das Himmelreich etwas Reizvolles, etwas Wunderschönes,
gleich einem Hochzeitsmahl, gleich einem großen Fest.
Man schmeckt förmlich den Wein, riecht das Brot,
spürt das frische Wasser.
Gott erscheint in den Psalmen als der, nach dem der Mensch dürstet,
der ihm köstliche Labsal ist.
Aus diesem Reizvollen scheint eine dröge Angelegenheit geworden zu sein:
statt Hochzeitsfreude bestenfalls bange Ehrfurcht, eher gar nichts.
Wie kann das Aussehen mit dem Binden und Lösen,
wenn es nach Himmel riechen soll?
Ich glaube, es muss ganz viel mit der Erde zu tun haben, mit dem Jetzt,
mit der jeweiligen Zeit.
Nicht umsonst wählt Jesus in den Gleichnissen Bilder und Situationen,
die die Menschen kennen:
das Säen, das Wachsen, Unkraut und Weizen, die Hochzeit.
Manches, was wir in der Kirche leben und erleben, ist eher geeignet,
die Lust auf den Himmel zu mindern.
Ich denke an die Zwei – Klassen – Gesellschaft,
wie Kirche sie immer noch lebt
in den unterschiedlichen Ämterrollen von Frauen und Männern.
Zwar lesen wir bei Paulus, dass das im Himmelreich
alles keine Rolle mehr spielt,
weil er als Grundlage sieht, eins in Christus zu sein
dann gibt es nicht mehr Sklaven und Freie, weiblich und männlich:
aber wenn das einmal so sein soll,
warum dann nicht auch schon jetzt und hier?
Schließt diese Widersprüchlichkeit den Himmel auf?
Das eine ist zu beklagen, dass immer weniger Menschen an Auferstehung, Himmel und ewiges Leben glauben;
das andere ist, dass man es aber auch den Menschen
die ständig vom Himmelreich reden, muss abnehmen können.
Bei Jesus scheint das so gewesen zu sein.
In Ihm leuchtete ein einladender Himmel auf, ein menschlicher;
denn das lebte Er auf Erden:
die Vergebung, die Barmherzigkeit, immer nah an den Menschen.
Ginge es Ihm um den Verdienst des Himmels,
wie hätte Er dann die Ehebrecherin freigesprochen,
dem Zöllner vergeben?
Gerade dies, das greifbar unverdiente und geschenkte,
die nicht erwartete Güte,
macht auf Sein Reden vom Himmelreich aufmerksam,
macht es einladend, ruft ein großes Aufatmen hervor.
Binden und Lösen als Schlüssel zum Himmelreich.
Wir dürfen das Wort Gottes so leben und in die jeweilige Zeit hinein tragen,
dass es Lust auf mehr macht;
dass Menschen nicht mehr im Schatten eines verkündeten Gottes,
der blutleer erscheint, als wäre Er niemals Mensch geworden,
die Suche nach einem dem Herzen und der eigenen Wirklichkeit nahen,
inniglich erflehtem, gehofften und alltagsrelevanten Gott aufgeben;
die Suche nach dem, der nicht allwissend oder besser wissend
an der Seite von uns Menschen ist,
sondern als Stärke im Rücken, als Begleitender an der Seite,
als Einladender nach vorn.