C 7 2019 Lk 6, 27-38
Vorletzte Woche war ich zu einem Vortag von Dr. Christiane Florin.
Sie ist beim Deutschlandfunk in der Redaktion „Religion und Gesellschaft“
als Journalistin tätig.
2017 hat sie ein Buch herausgebracht: Der Weiberaufstand
und beschäftigt sich darin mit der Frage nach der Priesterweihe für Frauen.
Ebenso in dem Vortrag.
Mir ist an dem Abend klar geworden, warum diese Frage
so massiv erst in den vergangenen Jahrzehnten aufgekommen ist.
Dazu bedarf es der Berücksichtigung des gesellschaftlichen Kontextes:
Wir haben erst vor kurzem 100 Jahre
Frauenwahlrecht in Deutschland gefeiert.
Die Kirche musste also lange Zeit gar nicht begründen,
warum sie sich nicht in der Lage sieht,
der Frauenpriesterweihe zuzustimmen,
weil diese Frage gar nicht groß gestellt wurde
und gesellschaftlich auch keine Relevanz hatte.
Verständlicherweise, wenn man bedenkt,
dass in unserem Land noch bis 1958
ein Ehemann das Dienstverhältnis seiner Frau kündigen konnte.
Aber als die Frage nach dem Frauenpriestertum
auch im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen stärker wurde,
erfolgten all die Begründungen, die nicht richtig zu überzeugen vermögen:
Jesus sei ein Mann gewesen. Jesus habe nur Männer als Apostel gerufen.
Wollten wir es ganz einfach ausdrücken,
dann gibt es nur diesen einen einzigen Grund:
die Priesterweihe für Frauen gibt es nicht, weil sie Frauen sind.

Mir fällt dieser Vortrag und das damit verbundene Thema ein
bei dem Satz aus dem heutigen Evangelium:
„Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin.“
Ich empfinde diese Argumentationen als Schläge,
sie haben darüber hinaus etwas Diskriminierendes.
Und ich frage mich, wie dieses Jesus Wort von der anderen Wange hinhalten
lebbar ist, wenn man zutiefst getroffen ist.
Dafür lassen sich von uns allen sicher verschiedene Beispiele anführen,
wo wir Getroffene, wo wir Geschlagene sind.
Die andere Wange hinhalten?
Nicht zurückschlagen ist ja schon eine große Herausforderung,
als Geschlagene, als Verletzte nicht zum gleichen Mittel zu greifen.
Auge um Auge war ja die Maxime des Alten Testaments,
die menschlich verständlich ist,
aber von Jesus abgelöst wird, wenn Er sagt: Richtet nicht, verurteilt nicht.
Die andere Wange hinhalten ist allerdings noch mehr.

In dem erwähnten Vortrag wurde Frau Florin gefragt,
warum sie noch in der Kirche sei.
Sie sprach von ihrer Beheimatung,
auch von positiven Erfahrungen in der Kirche und sagte dann: ich glaube,
innerhalb der Kirche werde ich ernster genommen,
kann eher etwas verändern als von außen,
und: ich möchte unbequem sein, meine Anfragen stellen,
meinen Protest äußern.
Wenn alle Frauen gingen,
alle, die sich von Kirche nicht richtig wahrgenommen fühlen, gingen,
viele haben wir ja schon verloren, sind gegangen, ausgetreten, ausgewichen,
schweigen, suchen ihre Nische,
aber wer bleibt dann über?
Wollen wir ernsthaft eine solche Kirche?
Das Feld räumen, damit sich – ja was eigentlich breit macht?
Natürlich sagte sie auch, dass manche Bischöfe so lebten,
als könnten sie auch ohne Gläubige Bischof sein –
dem kann man nur schwer widersprechen;
aber das Wort von dem mitunter Widerständigen,
das Wort vom unbequem sein geht mir nach.
Vielleicht ist es nichts anderes, als die andere Wange hinhalten,
nämlich damit rechnen zu können, weiter geschlagen zu werden,
getroffen zu werden, verletzt zu werden.
Masochistisch?

Das Evangelium meint, es ist mehr:
nicht ausweichen, sich treffen lassen ist der Weg zur Veränderung,
zum Frieden, zum Durchbrechen von ewig gleichen Kreisläufen.
Daran – in der Tat – muss man glauben,
ein mindestens genau so starker Glaubenssatz wie das Bekenntnis,
an die Auferstehung der Toten zu glauben.

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