Taufe des Herrn 2020
Ein seltsamer Zug, der sich auf den Weg an den Jordan macht.
Menschen aller Art vermutlich:
Zolleintreiber und Prostituierte, Gesetzestreue und Wohlhabende,
Kranke und Aussätzige.
Allen gemein ist, dass sie Frieden suchen, Vergebung.
Allen gemein ist, dass ihnen ihr Leben nicht den Halt gibt,
den sie sich wünschen.
Sie kommen einfach nicht mit sich ins Reine.
Zu ihnen gesellt sich Jesus, zu denen, die nicht mehr weiter wissen.

Weihnachten nennen wir es – schon umwerfend genug – Menschwerdung;
jetzt – am Jordan – finden wir ein Bild dafür, was das bedeutet:
in Jesus taucht Gott in die Abgründigkeit des menschlichen Lebens ein,
dorthin, wo Leben bedrohlich wird, wo wir im Schlamm stecken,
wo wir den festen Boden unter den Füßen verlieren.
Nach Seinem Kreuzestod bekennen wir Jesus
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
in das Reich der Hölle, wie es früher hieß.
Dieselbe Bewegung begegnet uns hier: tief runter,
dahin, wo nach menschlichem Ermessen nichts mehr geht,
wo alles Aus ist, wo wir den Atem anhalten:
Gott kommt ins Bodenlose.

Johannes der Täufer wehrt ab.
Das kann er sich nicht vorstellen, das will er nicht zulassen,
was er da erlebt.
Entspricht das unseren Vorstellungen?
Leichter erscheint es uns, einen Gott in der Höhe zu bekennen,
einen majestätischen;
nicht einen, der sich schmutzig macht,
sich in die Schar der Sünderinnen und Sünder einreiht,
ihnen zum Verwechseln ähnlich.

Seltsamerweise taucht hier das Wort von der Gerechtigkeit auf.
„Laß es nur zu. Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen“ –
sagt Jesus zu Johannes.
Die Evangelien kennen keine Lehre von einer Genugtuung,
die sich später herausbildet,
als hätte Gott das Opfer, die Erniedrigung,
den Tod Seines Sohnes gebraucht, um versöhnt zu werden.
Aber Gerechtigkeit soll erfüllt werden:
all den armen Teufeln soll sie zu teil werden,
denen niemand eine Chance gibt,
die auf Vergebung und Versöhnung angewiesen sind,
die selbst nichts wieder gut machen können.

In diesem Sinn wird Jesus später
das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg erzählen:
den Menschen zugewandt, die nicht angeworben wurden
aber dennoch den gleichen Lohn empfangen,
und zwar nicht, weil sie ihn verdient hätten,
sondern weil sie ihn brauchen.
In diesem Sinn wird Jesus später das Gleichnis erzählen
von dem Mann, der so sehr verschuldet ist,
dass er seine Schuld auch nicht in drei Menschenleben abbezahlen kann,
und dem die Schuld darum erlassen wird.
Menschen wie diesen soll Gottes Gerechtigkeit zuteil werden,
weil diese vor allem eine aufrichtende Gerechtigkeit ist.
Sie gibt nicht etwas als Belohnung, sie vergilt nicht,
sondern sie schenkt.

Welch ein Geschenk wäre größer als ein offener Himmel,
als eine offene Zukunft,
welch ein Geschenk wäre größer als die göttliche Zusage:
Du gefällst mir.
Du gefällst mir, ohne dass du dich dafür anstrengen oder verbiegen musst,
du gefällst mir, weil du zu mir gehörst, meine Tochter, mein Sohn bist.
Mit dieser Zusage werden alle, die sie an sich heran lassen,
aus der Taufe gehoben,
mit dieser Zusage beginnt ein neues Leben.

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