Weihnachtsmorgen 2018
Mein rechter, rechter Platz ist frei –
die Reise nach Jerusalem:
sicherlich kennen Sie beide Spiele, in denen es um Plätze geht:
in dem einen darum, sich jemanden herbei zu wünschen,
in dem anderen Spiel ist es der Kampf um einen Sitzplatz.

Wo ist dein Platz?
haben wir uns in den Adventswochen auf unterschiedliche Weise gefragt,
denn die Platzfrage beschäftigt uns nicht nur in Kinderbewegungsspielen
oder bei Monopoly, wenn es darum geht, Straßen und Plätze zu erwerben.
Wir möchten einfach einen GUTEN Platz:
im Theater, im Konzert, im Kino, in der Kirche, auf der Arbeit,
da, wo wir wohnen, im Leben anderer Menschen.
Und wir wünschen uns besonders einen guten Platz, wenn wir krank sind,
oder uns selbst nicht mehr helfen können,
wenn wir sterben müssen.
Zwei Jünger im Evangelium, Jakobus und Johannes,
stellen sich ebenfalls eine Platzfrage.
Sie gehen zu Jesus hin und sagen zu ihm:
Wir möchten, dass du uns rechts und links neben dir sitzen lässt,
wenn du deine Herrschaft angetreten hast.
Egal, ob es bei der Bitte um die Frage nach der Ewigkeit geht
oder doch mehr um Herrschaft,
die Platzfrage hat immer auch mit Ellenbogen zu tun:
mit dem Verdrängen von anderen, mit dem sich selbst behaupten.
Wo es nur um den eigenen Platz geht und nicht auch um den der anderen,
ist es eine egoistische Frage.

Wo ist dein Platz?
Heute feiern wir die Antwort Gottes:
Sein Platz ist an der Seite der Menschen, eines jeden Menschen.
Und weil das so ist, gilt das Umgekehrte auch:
jede und jeder hat einen unstrittigen und liebevollen Platz bei Ihm.
Wir müssen uns diesen Platz nicht erkämpfen,
es nimmt ihn uns auch niemand weg;
er ist von Anfang an bereitet – und es wird uns sogar gesagt,
dass er für alle Zeiten bereitet ist.
Es gibt keine ersten und keine letzten Plätze,
es gibt nur den je eigenen, den individuellen, den persönlichen,
den maßgeschneiderten.

Was ist unser Leben anderes, als diesen Platz zu finden?
Und was ist unser christlicher Auftrag, wenn nicht der,
anderen Menschen zu helfen, ihren von Gott zugedachten Platz zu finden?
Der erwachsene Jesus hat so gehandelt:
Menschen vom Rand weg in die Mitte geholt,
der angeklagten Ehebrecherin wieder einen Platz gegeben.
Wir wissen, welch einen Platz das Jesus eingebracht hat.
Wir erblicken – mehr als in der Krippe – im Kreuz den Ort,
an dem Er zu finden ist:
bei den Verzweifelten, bei denen, die an ihrer eigenen Schuld
oder an der Sünde der anderen zugrunde gehen.
„Je näher, je dichter man bei Jesus sein möchte,
umso dichter wird man am kaputten und kaputtgemachten Leben sitzen.“

Wo ist dein Platz?
In der letzten Woche war ich
mit einer Klasse des St. Franziskus-Berufskollegs hier in der Kirche.
Die verantwortliche Lehrerin meinte,
die Frage „Wo ist dein Platz?“ und die Auseinandersetzung mit ihr
träfe genau die Situation der Klasse.
Nachdem ich versucht hatte, einiges dazu zu sagen,
sagte sie mir beim Hinausgehen,
dass es anschließend im Unterricht um die Situation eines Mitschülers ginge,
eines Transgender, wo das zu Beginn des Lebens
aufgrund augenscheinlicher körperlicher Geschlechtsmerkmale
zugewiesene Geschlecht
von der gefühlten und wahrgenommen Geschlechtsidentität abweicht.
Platzsuche im eigenen Körper und im sozialen Milieu.

In diesem Sommer lief in den Kinos ein Film mit dem Titel: Love, Simon.
Ein 17 jähriger Junge wartet auf den passenden Augenblick,
seinem Umfeld mitzuteilen, dass er schwul ist.
Eines nachts träumt er genau das Umgekehrte:
Heterosexuelle müssen sich outen und bekommen daraufhin die Reaktionen,
die er auf sein Outing hin befürchtet.
Eine großartige Szene ist, als er irgendwann mit seiner Mutter spricht
und sie ihm sinngemäß sagt:
„Simon, ich habe es gewusst.
Dein Leben wirkte bislang gedrückt, eingeengt. Du warst nicht lebendig.
Ich konnte spüren, wie du die Luft anhältst.
Du kannst jetzt wieder ausatmen. Du bist nach wie vor Du.“
Das ist eine religiöse Szene, ein Auftrag des Glaubens:
jemanden zu ermutigen, zu sich zu stehen.
Die Verbindung mit dem Atmen erinnert an den Lebenshauch,
den Gott jedem Menschen einhaucht mit der Botschaft:
Du bist Du. Finde es heraus. Lebe.

Wir sind und bleiben Platzsuchende für uns selbst und mit anderen,
aber mit dem Versprechen unseres Glaubens unterwegs, das besagt:
An der Krippe – bei Gott haben alle Platz.

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