Weihnachten 2019
Was sagt, was gibt mir Weihnachten?
Vor zwei Wochen schrieb mir ein Freund:
„Der Glaube ist bei mir sehr in den Hintergrund getreten.
Atheist bin ich nicht direkt.
Kirche und Christentum bietet mir allerdings gar nichts mehr
und ich umgekehrt ebenfalls nichts mehr.“
Ich glaube, so geht es nicht wenigen Menschen.
Ihnen ist nicht nur Kirche nichts sagend geworden, das Christentum auch.
Zerredet, unglaubwürdig, bedeutungslos.
Wer fragt sich nicht nach der Kraft des Evangeliums,
wenn selbst im innersten Bereich der Kirche vorkommt,
was wir auch außerhalb erleben:
Machtmissbrauch und Wegsehen, Korruption und Selbstbereicherung,
Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit…
Dass Menschen darum den kirchlichen Kontext meiden,
dass sie manche Scheinheiligkeit nicht mehr ertragen,
die mühsamen und ermüdenden Erklärungen,
warum was wie zu sein hat, was als Gott gegeben zu glauben ist,
sich dabei in der Begründung weniger auf vernünftige Einsichten
als auf verliehene Macht und Autorität berufend,
dass Menschen sich davon absondern: wundert das wirklich?
Wir stehen in der Herausforderung, den Kirchenbegriff neu zu verstehen.
Kirche ist nicht eine Ansammlung von Mitgliedern,
Kirche bildet sich durch Menschen, in denen Gott sich zu Wort meldet.
Sie hat ihre Berechtigung nicht
in der Abgrenzung zu anderen Konfessionen oder Religionen,
sie wird durch die, die Gott sammelt.
Darum ist die Kirche Gottes weitaus größer und sehr viel anders
als die sich in Zeit und Geschichte Abbildende.
Ähnlich das Christentum.
Es ist keine Lehre, keine Religion,
keine Angelegenheit einer spätjüdischen Reformsekte;
wenn, dann betrifft es jeden Menschen, und zwar als Haltung.
Diesen Anspruch nimmt es sogar wörtlich ein,
wenn Jesus am Ende des Matthäusevangeliums die Apostel aussendet,
alle Menschen zu Seinen Jüngern zu machen.
Jünger Jesu ist – realistisch gesehen -,
wer mit manchen Worten Jesu etwas anfangen kann,
wer sie zu leben versucht: die Versöhnung, die Feindesliebe,
die Bitte, nicht zu verurteilen,
die Vergebung gerade auch da, wo nichts wieder gut zu machen ist,
das Vertrauen in Gott, der mütterlich ist.
Die Botschaft Jesu hat allen Menschen etwas zu sagen,
sie dient aber nicht als Zankapfel zwischen Menschen und Religionen.
Gleich morgen, am Gedenktag des hl. Stephanus,
bekommen wir wieder zu hören,
wie rasch die Botschaft vom offenen Himmel
zum tödlichen Streitthema wurde.
Christ sein ist aber kein Thema,
es ist eine Lebensweise – und sie wird um so stärker,
je mehr wir sie auch unabhängig
vom wie auch immer religiös gefassten Bekenntnis entdecken.
Vom hl. Augustinus wird die Aussage überliefert:
Das Christentum gab es schon immer, nur als es dann gekommen ist,
hat man es Christentum genannt.
Da, wo Menschen etwas von dem leben,
was wir in Christus ganz glauben,
selbstlose Liebe, die Werke der Barmherzigkeit, sind die,
die Karl Rahner „anonyme Christen“ nennt:
Menschen, die vielleicht gar nicht an Gott glauben,
aber dennoch Nächstenliebe in der Weise leben,
wie sie Jesus verkündigt hat,
auch wenn sie gar nichts darüber wissen,
dass Jesus gepredigt hat, was sie zu leben versuchen.
Die Verkündigung der Engel bringt das ganz einfach auf den Punkt:
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen,
mitunter heißt es dann: die guten Willens sind,
genauer heißt es: Friede auf Erden den Menschen Seines Wohlgefallens,
unabhängig von unserem guten Willen sogar.
Was sagt, was gibt mir Weihnachten?
Himmlische Stimmen, die allen Menschen Frieden zusprechen –
nicht weil sie aus sich heraus gut sind, sondern weil Gott sie gut findet.
Dies zu hören setzt Hirten in Bewegung, setzt alles in Bewegung.