Hl. Abend 2020
Seit dem 1. Advent steht es an die Außenfassade der Kirche projiziert,
in der Einladung des Pastoralverbundes in dieser besonderen Zeit
ebenfalls abgedruckt,
eine Strophe des Liedes „O Heiland, reiß die Himmel auf“
von Friedrich Spee, entstanden in Unna zur Zeit der Pestepidemie.
„Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all’ ihr’ Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst uns hier im Jammertal!“
Manchen erscheint die Strophe düster.
Als 1622 der Text zum ersten Mal in einer Liedsammlung auftaucht,
ist es düster:
der Dreißigjährige Krieg, der alleine in Deutschland
fast einem Drittel der Bevölkerung das Leben kostete, wütete.
Als Seelsorger besuchte Friedrich Spee in der Zeit der Hexenverfolgungen
die verurteilten Frauen im Gefängnis
und begleitete sie bis zum Tod auf dem Scheiterhaufen.
Eine dunkle Zeit.
Ungeduld spiegelt die Strophe wider, Not, Bedürftigkeit.
Die Bitte um Trost.
Sie verstummt nicht.
In diesen Monaten,
die uns auf eigene und nicht für möglich gehaltene Weise schwer sind,
versuchen sich Menschen zu trösten.
Volle Baumärkte und Möbelhäuser rühren von dem Wunsch,
es sich Zuhause schön zu machen;
Dekorationsware, Kerzen und Lichter sollen diese Zeit erhellen.
Wir brauchen das Wärmende, das die Musik schenken kann,
das Wärmende, das vom Licht ausgeht und von jedem guten Wort,
das Wärmende, das Wohlgeruch vermitteln kann
und der festlich gedeckte Tisch.
Und doch ist alles anders, je nachdem, ob wir damit allein sind oder nicht.
Für sich allein den Tisch liebevoll decken
ist schon mindestens eine Herausforderung –
und die wochenlange Spekulation und Diskussion in der Öffentlichkeit,
wie und mit wem wir wohl in diesem Jahr Weihnachten feiern können,
zeigt, wie sehr wir einander brauchen,
dass nichts die Gegenwart geliebter Menschen ersetzen kann.
Nichts kann die Gegenwart geliebter Menschen ersetzen.
Da sind wir schon bei Weihnachten,
denn dieses Fest ist das große Fest der unersetzlichen Gegenwart Gottes.
Der Glaube daran, dass Er da ist in allem,
dass Seine Gegenwart alles durchzieht, verändert alles von Grund auf.
Ob jemand mit mir im Boot, mit mir am Tisch sitzt,
auch und gerade dann, wenn Tränen fließen,
wenn ich mutlos bin, nichts zu sagen weiß,
ob jemand einfach nur da ist – verändert.
Friedrich Spee bittet in seinem Vers nicht um das Unmögliche;
er bittet nicht darum, dass alles neu und anders wird;
er bittet um Trost.
Und er versteht ihn als die starke Zuwendung Gottes an die Untröstlichen,
als Quelle von stärkender Kraft.
„Wer jammert, will ja nichts ändern,
sondern in seiner düsteren Weltsicht bestätigt werden.“
stand Anfang des Monats in einem Bericht des Focus zu lesen.
Und weiter:
„Studien bestätigen, dass ein Missvergnügen zu teilen –
das sogenannte Solidaritätsjammern –
im Zwischenmenschlichen wie ein Sekundenkleber funktioniert.
Ganz im Unterschied zum überbordenden Optimismus.“
Im Artikel werden zwei Auswege genannt.
Beide sind zutiefst christlich:
der eine: „Akzeptiere, was sich nicht ändern lässt“.
ähnlich, wie es der 1971 verstorbene amerikanische Theologe
Reinhold Niebuhr in seinem bekannten Gebet ausdrückt:
„Gott, gib mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Um diese Haltung bittend verstehe ich den Vers von Friedrich Spee.
Der zweite Ausweg:
„Wer sich für andere engagiert, fühlt sich weniger ohnmächtig.“
Das haben viele Menschen in diesem Corona Jahr
in so vielen Initiativen getan.
„Wer sich für andere engagiert, fühlt sich weniger ohnmächtig.“
Und genau das ist der Weg Gottes mit uns Menschen,
den wir heute feiern:
Gott tut das gleiche: Er engagiert sich in Jesus für uns Menschen.