6. O-So 2025
Es sind die sogenannten Abschiedsreden,
aus denen das heutige Evangelium entnommen ist.
Kein anderer Evangelist
entfaltet den Abschied Jesu so sehr wie der Evangelist Johannes.
Doch die Rede beginnt mit einer Tat, nicht mit Worten,
nämlich mit der Fußwaschung.
Stärker als Worte sind Taten.
Worte, wenn sie nicht lyrisch sind, vergessen wir, Taten nicht.

Diejenigen, die mit Jesus unterwegs sind, habe eine Entwicklung erlebt:
Einen Weg mit ganz viel Jubel und Zustimmung, mit großer Begeisterung –
und einer rapiden Entwicklung ins Gegenteil.
Wenige nur bleiben über –
und die wenigen fühlen sich schwach, enttäuscht, mutlos
und ziehen sich am Ende selbst zurück.

„Weniger werden“ erleben wir mit Menschen,
die körperlich oder geistig nachlassen.
Weniger werden erleben wir bei uns selbst, wenn Kräfte nachlassen.
Weniger werden erleben wir bei Themen und Ideen,
die ihren Glanz verloren haben.
Weniger werden erleben wir in unseren Reihen,
weil die Weise, wie und woran Menschen glauben, sich verändert.

Wie geht Jesus in den Abschiedsreden mit dem „Weniger werden“ um?
Er analysiert nicht, er hinterfragt nicht,
schon gar nicht macht er Vorwürfe nach dem Motto:
Wo sind sie alle geblieben?
Er nimmt es als gegeben hin.
Und er sagt ein unerschöpfliches Wort:
„Der Hl. Geist wird euch alles lehren und an alles erinnern,
was ich euch gesagt habe.“
Was doch im Umkehrschluss heißt: Ihr habt nicht mehr alles präsent.
Lasst den Geist wirken – dass etwas anders wird heißt nicht,
dass ich nicht dabei bin.

Die Emmaus Geschichte ist wie eine Illustration dieser Worte:
Wie Schuppen fällt es den Jüngern von den Augen und sie merken:
Jesus ist nicht zwingend da, wo man ständig seinen Namen im Munde führt.
Er ist da, wo Menschen sich aufmachen,
sich erzählen, was sie beschäftigt oder traurig macht –
und sich fremden Menschen und Gedanken öffnen,
denn auf dem Weg geht jemand Fremdes mit ihnen.

Trauer und Weniger werden kann man nicht weg reden.
Aber es gibt starke Worte, die Jesus nutzt, um den Horizont zu weiten.
In diesem Evangelium zählen Worte dazu,
die Papst Leo auch in seinen ersten Ansprachen gebraucht hat:
Liebe und Frieden.

Wer horcht da nicht auf?
Wer lässt sich davon nicht ansprechen,
Denn mit diesen Worten verbinden wir starke Hoffnungen
und lebensnotwendige Grundlagen.

Bei all den Veränderungen, die uns im Erzbistum beschäftigen,
nicht nur hinsichtlich der Aufgabe von 4 unserer 10 Kirchen
in den beiden Pastoralverbünden,
sondern auch der immer größer werden Seelsorgeeinheiten
als Reaktion auf unser „Weniger werden“,
geht mir ein Wort von Exupéry, dem Autor des „kleinen Prinzen“,
nicht aus dem Sinn:
„Wenn du ein Schiff bauen willst, beginne nicht damit,
Holz zusammenzusuchen, Bretter zu schneiden und die Arbeit zu verteilen, sondern erwecke in den Herzen der Menschen
die Sehnsucht nach dem grossen und schönen Meer.“

So verstehe ich die Worte und das Leben Jesu,
insbesondere, wenn er das berührende Zeichen der Fußwaschung setzt:
Sehnsucht wecken nach dem ganz großen,
und was wäre das ganz große, wenn es sich nicht im Alltäglichen,
im Kleinen finden lässt.

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