B 5 2021 Ijob 7, 1-4.6-7
Was kann der Glaube oder die Kirche zu Corona sagen?
Immer wieder war und wird diese Frage gestellt.
Schweigt sich Kirche weg?

Die biblische Lesung heute erinnert an Hiob.
Hiob verliert seine zehn Kinder, seinen Besitz,
er erkrankt an einem bösartigen Geschwür.
„Nie mehr schaut mein Auge Glück.“ sagt er.
Aussichtslos empfindet er sein Leben, gebeutelt,
tief schwarze Gedanken steigen in ihm auf.
Vermutlich kennen wir alle Situationen in unserem Leben,
in denen wir entweder ähnlich empfinden
oder mit Menschen zusammen sind, die so ähnlich empfinden.

Der weitere Verlauf des Buches Hiob ist wie eine Art Gewissensspiegel
in der Frage unseres Umgangs mit Leiden.
Es erzählt davon, dass Hiob seinen Freunden sein unsägliches Leid klagt,
und es benennt die Reaktion der Freunde,
die sich auf die radikale Klage des Hiob nicht einlassen wollen.
Stattdessen versuchen sie, irgendeinen Sinn für das Leiden
oder in dem Leiden des Hiob zu finden
und wägen sich in diesem Bemühen fromm und gottesfürchtig.
Die Haltung dahinter ist die Annahme:
Gott wird schon wissen. Seine Pläne sind unerforschlich.
Es wird alles ein gutes Ende nehmen.
Trag dein Kreuz wie Jesus.
Wer weiß, wofür es gut ist. Alles wird gut. Kopf hoch.
Du lebst ja noch.

Leiden aushalten ist schwer: eigenes Leiden aushalten,
das Leiden anderer Menschen aushalten.
So oder so wirft es uns aus der Bahn.
Im Buch Hiob
halten seine Freunde die Unerträglichkeit seines Leidens nicht aus.
Ihre Erklärungsversuche sollen die Sinnlosigkeit auffangen.
Aber dient diese Reaktion genauer betrachtet nicht eher den Freunden selbst
als dem Hiob, in dem sie ihnen ermöglicht,
sich letztlich dem Leiden des Hiob nicht wirklich aussetzen zu müssen?
Und lasten sie Hiob nicht noch etwas Zusätzliches auf,
nämlich in seinem unsäglichen Schmerz eine Deutung annehmen zu sollen,
die zu seiner gegenwärtigen Erfahrung gar nicht passt?

Ich denke an die einsam mit oder an Corona verstorbenen Menschen,
an ihre nächsten Angehörigen,
die eingeschränkt oder gar nicht dabei sein konnten;
an die Beerdigungen im kleinsten Kreis:
was soll da trösten?

Den Freunden, die Hiob belehren und besänftigen wollen,
entgegnet er mit einem großartigen und starken Satz; er sagt:
„Hört doch meiner Rede zu und lasst mir das eure Tröstung sein.“
Soll heißen: hört auf, mir meinen Schmerz klein zu reden,
hört auf, meine Klage zu hemmen, oder da einen Sinn anzubieten,
wo keiner ist.
Selbst Gott erscheint in Hiobs Geschichte nicht als der große Sinngeber,
die Gleichung: Gott und Sinn geht nicht auf.

Ist das nicht auch in unserer christlichen Botschaft zentral:
an keiner Stelle der Bibel erklärt Jesus Leiden,
wir finden keine Deutungen.
Wir finden nur Sein eigenes Lebensbeispiel,
nämlich, dass Er nicht ausweicht,
sondern in das tiefste Dunkel der Menschen hinein geht,
dem schier Unerträglichen sogar Sein Gesicht gibt,
das Gesicht des Gekreuzigten.
Er selbst am Kreuz lebt mit dem Schweigen des Himmels.

„Hört doch meiner Rede zu und lasst mir das eure Tröstung sein.“
Wir glauben an einen hörenden, an einen zuhörenden Gott.
Und damit einher geht Sein Schweigen.
Kirche und Glauben kann und muss nicht zu allem etwas sagen,
schon gar nicht zum unerträglich Schweren,
und zwar um der Leidenden willen nicht;
aber Kirche muss es sich anhören, ganz Ohr sein.

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