Zum 4. Fastensonntag 2020, Joh 9, 1-41
Wer hat gesündigt, dass er blind geboren ist? Er selbst oder seine Eltern?
Die Jünger fragen Jesus das im Evangelium vom Blindgeborenen.
Und Jesus sagt: weder – noch. Blindheit ist keine Strafe.
Corona ist keine Strafe.
Ich hatte gedacht, die Zeiten seien (schon mit diesem Evangelium) vorbei,
dass Menschen (in der Kirche) so denken,
Krankheiten seien eine Strafe Gottes.
Offensichtlich nicht.
Unsere Gottesbilder sind furchtbar.
Ob es Gott selbst ist?
Ich glaube es nicht.

In dieser Woche sagte der Theologe Magnus Striet in einem Interview:
„Wenn man Ernst macht mit der Vorstellung eines Schöpfergottes,
dann wird man sagen müssen,
dass alles das, was Menschen widerfährt in der Evolution,
tatsächlich auch am Ende von ihm verantwortet werden muss.
Damit ist ein Kinderglaube, ein reiner Lobpreis-Glaube am Ende.
Das bedeutet nämlich,
dass das Gebet immer durchzogen ist auch von Klage, ja von Anklage.“

Das ist der Versuch einer Ernstnahme, wenn wir sagen:
Alles kommt von Gott.
Wir leben nicht nur mit einem Gott voller Licht,
wir leben auch mit einem dunklen Geheimnis Gott.
Unser Glaube bleibt fragend, anfragend, klagend, anklagend.
Manchmal denke ich, unsere Gottesansprache „guter“ Gott
lässt das schnell vergessen.

Mich stimmt auch nachdenklich,
wie es jetzt unter den Corona Krise Bedingungen so schwierig ist,
kirchlich anzuhalten.
Nicht Anhalten im Sinne des Lebens von Menschlichkeit
und des liebevollen Blickes füreinander,
wohl aber Anhalten im Sinne des gottesdienstlichen Tuns.
Die von außen oder durch das Corona-Virus verhängte Auszeit
empfinde ich als eine Unterbrechung,
als eine Zeit der Nachdenklichkeit, des Schmerzes, des Verlustes.
Sie unterbricht nicht den Dialog mit Gott,
aber sie verändert ihn.
Sie ändert nichts daran, was wir über Jahrhunderte hinweg
in Gottesdiensten und in der Eucharistie feiern,
aber mich stellt sie vor die Frage,
wie die „Unheimlichkeit“ Gottes in unseren Feiern Ausdruck findet.
Ich kann nicht einfach das, was wir sonst gemeinsam vollziehen und feiern,
eins zu eins ins private Wohnzimmer holen
oder vor leeren Kirchen vollziehen.
Weiter machen in dem Sinn fällt mir schwer,
ein ungestümer Aktionismus ebenso.
(Haben wir als Kirche Angst vor der Bedeutungslosigkeit,
die vielleicht längst schon da ist?)
Was sagt uns als Gesellschaft und als Kirchen diese notgedrungene Auszeit?

Jesus heilt den Blindgeborenen nicht sofort.
Es ist eine Prozedur, ein Procedere:
auf die Erde spucken,
einen Brei machen,
dem Blinden auf die Augen streichen,
ihn dann zum Teich Schiloach schicken,
damit er sich wäscht-
dann erst wird der Blinde sehend.

Wie umständlich gegenüber anderen Heilungsgeschichten…
und wie anders.
In jedem Fall persönlich zugeschnitten und geerdet:
kein Spucken auf die Erde (und auf alles, was sie hervorbringt)
aus Verachtung,
sondern um sie aufzunehmen und heilsam werden zu lassen.

Erst am Ende des Procedere steht das sehend werden.
Bis dahin geht es langsam, Schritt für Schritt.
Bis dahin geht er langsam, der Blindgeborene,
wie so oft in den Heilungsgeschichten:
weg von der Menge, allein;
keine Heilung, die sich unter den Augen vieler vollzieht.

Weg von der Menge, allein:
Aufgabe unserer Zeit gerade.
Zeit für Jesus und mich.

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