B 3 2024 Jona 3, 1-5.10
Wer meint, Ninive sei eine Sache der Archäologen
und Jona eine Figur aus vergangener Zeit, täuscht sich.
Als das Buch Jona geschrieben wurde,
war Ninive schon 150 Jahre zerstört.
Offenbar ging es dem Autor nicht um eine historische Erzählung,
sondern um ein Gleichnis für seine Zeit
und ganz bestimmt auch darüber hinaus.
Ninive war Inbegriff des Schreckens und der Sünde;
Ninive wünschte man nur Schreckliches, am liebsten die Vernichtung.
Ausgerechnet dahin wird Jona geschickt.
Und wir haben vielleicht noch im Kopf,
wie sehr er sich zunächst geweigert hat,
nicht in diese Stadt wollte und darum flüchtete.
Hinterher geht er doch – aber offensichtlich mehr darauf wartend,
dass das Strafurteil Gottes endlich vollstreckt wird.
Darum geht er nur ein bisschen in die Stadt hinein – einen Tagesmarsch lang, obwohl die Stadt drei Tagesmärsche groß ist.
Das genügt ihm. Damit ist der Auftrag für ihn erledigt.

Es kommt anders: das Strafurteil wird nicht ausgeführt.
Es kommt anders, weil Ninive sich bekehrt.
Für Jona und für uns alle eine gehörige Lektion, die besagt:
Gott ist der Gott aller, auch derer, die ich für Feinde halte,
sei es für meine Feinde oder für die Feinde Gottes.
Jona fehlt fehlt dafür das Verständnis – ich glaube, nicht nur Jona.
Das eine ist wahrzunehmen und zu benennen, wenn in einem System
– in einer Stadt, in einem Staat – in der Kirche etwas schief läuft.
Das andere ist, jenen die bisher nicht das Gute im Auge hatten,
zumindest eine Chance zu geben.
Gott ist nie auf der Seite des einen gegen die anderen;
er ist größer, als dass er sich von irgendwem vereinnahmen ließe.
Es gibt nicht auf der einen Seite die Guten und auf der anderen die Bösen.
Denn nicht nur diejenigen müssen sich bekehren,
denen der Prophet das Gotteswort kündet, auch der Prophet selbst:
er muss lernen, dass Gott anders ist, als er es sich denkt;
er muss lernen, dass das Gotteswort – einmal gesprochen –
nicht für alle Ewigkeit fest zementiert ist.

Denn da steht so ein kleiner aber bedeutungsreicher Satz in dieser Lesung:
„Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte,
und er führte die Drohung nicht aus!“
Da reute Gott:
Nicht nur Ninive bekehrt sich, nicht nur später auch Jona,
Gott selbst – man wagt es kaum zu sagen – reut sein Wort.
Was Jona und manch anderem daran
zunächst als Inkonsequenz Gottes erscheinen mag,
hat eine andere Logik oder Konsequenz.
Deutlich wird, was Gott mit und in seinem Wort ist und was nicht.
Er begegnet nicht als absolute Wahrheit,
sondern als relative Wahrheit: Immer auf den Hörenden situativ bezogen.
Das Gerichtswort will sich nicht selbst behaupten,
es will vor allem das Heil der Menschen.

Gott kann anders sein, als Menschen ihn ankündigen und verkündigen.
Und er ist anders.
Denn er geht menschliche Wege mit.

Jona hat eine andere Vorstellung – ihm missfällt Gottes Erbarmen.
Ein Kapitel weiter lesen wir:
Das missfiel Jona ganz und gar und er wurde zornig.
Er betete zum Herrn und sagte: Ach Herr, habe ich das nicht schon gesagt, als ich noch daheim war? Eben darum wollte ich ja nach Tarschisch fliehen; denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langmütig und reich an Huld und dass deine Drohungen dich reuen.
Darum nimm mir jetzt lieber das Leben, Herr!“

Mit welch einem Gott wollen wir leben?
Jona bevorzugt einen strafenden, nicht den barmherzigen Gott.
Einen, der sagt: Jetzt ist aber Schluss.
Für sich nimmt er wohl Barmherzigkeit in Anspruch,
anderen Menschen gönnt er sie nicht oder erträgt es nicht,
wenn sie ihnen zuteil wird.

Er wünscht sich Gott nach seinem Bild –
und nicht den Menschen nach Gottes Bild.

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