Neujahr 2023
In dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld.
So kennen wir das Weihnachtsevangelium –
und sehen unsere Krippen mit bärtigen Schafhirten und kleinen Hütejungen.
Dabei gab es in der Bibel ganz selbstverständlich auch die Hirtinnen.
Das Buch Genesis erzählt,
Jakob habe Rachel an einem Brunnenloch kennengelernt,
als sie die Herde ihres Vaters tränkte.
Das Buch Exodus erzählt von Frauen,
die als Hirtinnen für Schafe und Ziegen verantwortlich waren,
von anderen Hirten, den männlichen nämlich, oft schlecht behandelt wurden.
Also: Hirtinnen gab es.
Der Evangelist Lukas, die Tradition verschweigt sie,
das Brauchtum weniger.
Alle, die an Krippenspielen beteiligt sind, wissen,
wie selbstverständlich auch Mädchen als Hirtinnen mitspielen.
Wie weit voraus ist sind Spiel und Brauchtum
der männlich bestimmten Kirche…

Hirtinnen und Hirten kommt eine besondere Rolle zu.
Sie sind nicht nur diejenigen, die Empfangende der Engelsbotschaft sind,
sie sind auch diejenigen, die Maria und Josef künden, was sie gehört haben;
und die alle, die es hören, was sie zu sagen haben, in Staunen versetzen.
Nicht die Weisen und die Engel, sondern die einfachen Hirtinnen und Hirten werden ihnen zu den weihnächtlichen Botinnen und Boten.
Wie sehr da schon beginnt, was Jesus später leben wird,
wird deutlich mit Blick darauf, dass Hirtinnen und Hirten zur Zeit Jesu
von den herrschenden Kreisen gering geschätzt
und sozial benachteiligt wurden.
Ihr Ansehen war gering, da ihnen die Herden oft nicht selbst gehörten.
Sie hatten schlichtweg nichts zu sagen.
Sie waren nirgendwo zugelassen, sie galten nichts.
Und vermutlich werden sie wortkarg geworden sein,
man wollte sie ja eh nicht hören.
Keine Stimme, kein Recht, kaum eine Berechtigung; allenfalls gut für Schafe,
draußen, nicht im Blick.

Könige, Gelehrte, Kaufleute – die hatten was zu sagen,
die wussten und wissen ihr Wort zu machen – bis heute,
die werden gesehen und wahrgenommen.
Wie bezeichnend, dass unser Brauchtum die Königinnen und Könige
um den 6. Januar herum kennt, mit Glanz und einem Hauch von Morgenland,
die Hirtinnen und Hirten aber fanden den Weg auf die Strasse nicht.
Wir gewichten, wessen Wort uns erreicht,
wir gewichten, wer bei uns Eindruck macht.
Es kann dieselbe Botschaft an uns ergehen:
Je nachdem, wer sie sagt und übermittelt,
schenken wir ihr mehr oder weniger Glauben,
beeindruckt sie uns oder eben auch nicht, nehmen wir sie ernst oder nicht.

Im Weihnachtsevangelium ist das ganz anders.
Da gehört das große Wort den Hirtinnen und Hirten,
nicht den Dauerrednern und den Erwartbaren;
da spielt es keine Rolle,
ob der Mund einer Frau oder eines Mannes verkündet.
Die Unbedeutenden, die Rechtlosen haben das Wort!!!
Sie sagen, wer das Kind ist, das da geboren wurde.
Sie sagen, wo Jesus ist.
Sie haben die Deutungshoheit.
Die nichts gelten, werden zu Verkündigenden, sie hören Engel reden.
Und sie finden Gehör.

Das versteht man nur im Kontrast:
Nicht die Schriftgelehrten, nicht die Pharisäer, nicht die Großen,
und weiter gedacht: Kein Kirchenvertreter.
Wie entstellend ist es so gesehen,
wenn die Krippenfiguren um alle möglichen ergänzt werden
Und plötzlich auch Bischöfe als Figur an der Krippe stehen.

Gott erwählt das Niedrige in der Welt und das Verachtete –
heißt es im Brief an die Gemeinde in Korinth:
Nicht die Weisen im irdischen Sinn, nicht die Mächtigen,
nicht die Vornehmen.

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