Allerheiligen 2022
Allerheiligen: wir sind nicht die Ersten!
Wir stehen auf den Schultern von Menschen,
die vor uns gehofft, gelitten und gekämpft haben.
Wir sind die Erben der Toten.
Wir führen fort, was sie begonnen haben,
wir nähren uns an dem Brot, das sie hinterlassen haben.

Wir leben von mehr Broten, als wir selbst backen können.
Wir sind nicht nur wir selber.
Wir sind ernährt von dem Lebensgelingen,
dem Mut und der Entschiedenheit unserer Mütter und Väter im Glauben.
Unsere Wurzeln reichen tief bis in ihr Leben und bis in ihren Tod.
Wir leben von einem Grund, den wir nicht selbst gelegt haben.
Gäbe es ihn nicht, diesen Grund,
wir müssten an uns selbst verhungern.
Denn unsere Vorräte sind zu gering, bei uns selbst ist nie genug zu holen.

Wie arm, wie unterernährt wären wir etwa
ohne eine hl. Elisabeth von Thüringen,
ohne Alfred Delp, Dietrich Bonhoeffer und Maximilian Kolbe;
wie arm wären wir ohne Franz von Assisi, und die hl. Theresia.
Wer keine Erinnerung, wer keine Heiligen hat,
bleibt in der reinen Heutigkeit verfangen,
er muss jede Lebensvision selbst entwerfen – wie kärglich.

Allerheiligen heißt:
Du musst nicht selbst entwerfen, Du findest vor, Du baust weiter.
Du musst nicht selbst die Bibel schreiben, ihre Geschichten erleben,
Du kannst Dich in ihnen bewegen, Dich von ihnen ernähren.
Die Erinnerung an Abraham und Mose, an Maria und all die anderen
sind wie Briefe aus der Ferne, die einem helfen,
die Gegenwart zu erkennen und zu sehen, was sie hat und was ihr fehlt.

Heilige sind Briefe aus der Ferne; und wer sie lesen kann,
braucht nicht mit seiner Hoffnung, mit seinem Glauben anzufangen.
Er kann sich berufen, er leitet sich ab.
Vermutlich kann man nur ein Gefühl für eine gelingende Zukunft haben,
wenn man um seine Herkunft weiß,
wenn man Figuren hat, an denen der Geist Gottes ersichtlich wird.

Allerheiligen ist wie eine Landschaft, in der wir uns bewegen,
eine Landschaft voller Schätze und Kostbarkeiten,
eine Umgebung, die uns wärmt.

Was fügen wir dieser Landschaft hinzu?
Was ist es, das wir hinterlassen, damit sich andere daran wärmen können?
Was ist es, das wir hinterlassen,
was Menschen nach uns nicht verhungern lässt,
was ihnen Glaubensbrot ist?
Ob wir es wollen oder nicht:
wir vermachen unseren Nachkommen etwas.
Geben wir ihnen nur noch Haus und Hof mit
oder geben wir ihnen auch Hoffnung, eine Gottesahnung mit?

Man kann nicht nur das weitergeben, was man fest und sicher weiß und hat;
man kann auch weitergeben,
was man selbst braucht und was andere brauchen.
Von was erzählen die biblischen Geschichten,
von was erzählen die Geschichten der Heiligen mehr als davon,
was Menschen brauchen.

Allerheiligen:
wir schöpfen aus fremden Vorräten –
und bilden selbst einen Vorrat,
aus dem Menschen nach uns schöpfen werden.
Dass dieser Vorrat nicht ausgeht,
so wie sich der Mehltopf der Witwe aus Sarepta nicht erschöpfte,
die Elija um Nahrung bat,
dafür sorgt Er, den Menschen vor uns gebraucht haben,
sowie Ihn auch Menschen nach uns brauchen werden.

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