2. Sonntag der Weihnachtszeit C 2022 Joh 1
Worte haben Macht – und Worte können inflationär sein.
Manchmal fühlen wir uns „zugetextet“ – wie wir heute sagen, totgeredet,
sehnen uns nach einer Pause, nach Ruhe, Unterbrechung,
so wie für viele diese Zeit zwischen den Jahren eine ruhige,
eine unterbrechende Zeit bedeutet;
und manchmal hungern wir nach einem guten Wort,
das bestärkt, das tröstet, das aufbaut, das weiter bringt.
Wir kennen Worte, die daher gesagt sind und resonanzlos verhallen,
und wir kennen Worte, die tief hinein gehen, in uns wohnen.

Ich mag mich täuschen, aber die Worte mit der größten Resonanz,
die Worte, die aufhorchen lassen, die uns zu denken geben,
die uns beeinflussen, verändern, sind die Worte, die persönlich sind,
wo jemand in sich hineinblicken lässt, wo jemand sich selbst ausspricht.
Groß werden Worte nicht dadurch,
dass sie weiß Gott wie geschliffen und gewandt sind,
groß sind Worte, wenn sie Erfahrungen und Leben mitteilen
oder Erfahrungen und Leben ermöglichen.

Auf das Wort Gottes, das Wort, das im Anfang war, das Wort, das Gott ist,
trifft das zu:
Erfahrungen und Leben werden mitgeteilt und ermöglicht.
Und weil das Gotteswort so persönlich ist,
weil Gott selbst sich darin ausdrückt, hat es immer noch Bedeutung,
spricht es immer noch Menschen an.

Vor manchen Worten haben wir Ehrfurcht, Respekt.
Dazu gehören für mich die Worte „Ja“ und „Nein“ und „Ich liebe dich“.
Das, wozu wir einmal „Ja“ gesagt haben, kann uns überfordern,
irgendwann nicht mehr haltbar sein:
In der Ehe gegebene Ja Worte zerbrechen,
das Ja Wort des Priesters bei seiner Weihe ebenso,
das Ja, das im Alltag Bereitschaft signalisiert
und was uns dann doch über den Kopf wächst:
all das, was wir einmal bejaht haben.
Von Maria sagen wir, dass sie ihr Ja Wort durchgezogen hat,
aber genauso sagen wir von ihr, dass sie voll der Gnade ist,
dass eigentlich die Gnade sie dazu befähigt hat.
Wir können aus eigenem Vermögen nicht jedes Ja Wort halten und füllen.
Wie schrecklich, wenn ein Ja Wort Gitterstäbe produziert
und uns wie in einem Gefängnis leben lässt.
Mit dem „Nein Wort“ ist es nicht anders.
Es will gut überlegt sein, mitunter haben wir einen solchen Respekt davor,
dass wir es uns nicht auszusprechen trauen,
dass wir andere oder uns selbst überfordern und Ja sagen,
wo ein Nein ehrlicher gewesen wäre.
Und dann gibt es diese unendlich kostbaren Worte,
die nie inflationär werden, nie einfach nur so daher gesagt werden dürfen,
wie etwa das Wort „Ich liebe dich“,
denn einfach so gesagt, gedankenlos oder unehrlich
oder einer Auseinandersetzung aus dem Weg gehend,
verletzen die kostbarsten Worte mehr als dass sie stärken.

Manchmal frage ich mich das bei unserem Beten, bei meinem Beten:
kostbare Worte, das VATER unser, ob es Gott verletzt,
wenn wir s nur so aufsagen wie ein auswendig gelerntes Gedicht,
ob es ihn verletzt, wenn wir so viele Worte machen – auch im Gottesdienst –
und sie bleiben nirgendwo, wohnen nicht in uns,
werden – biblisch gesprochen – kein Fleisch…

„Im Anfang war das Wort“
dieses Evangelium lehrt mich Respekt vor Worten, vor den eigenen,
vor denen, die an mein Ohr dringen und mich mitunter erschlagen,
vor denen, die mich berühren und sich mir einprägen,
und vor dem Gotteswort,
das wesentlich nicht die Ansammlung von Worten in der Bibel ist,
sondern dass Er selbst ist,
eigentlich namenlos, wortlos,
„verschwebendes Schweigen“, wie es Elija erfährt, ein leiser Wind,
und das genauso schreiend ist: der erste und der letzte Schrei,
der Geburtsschrei und der Todesschrei, der Aufschrei bei jedem Leid;
aber dass vielleicht am stärksten ist, wenn es DU sagt:
Dich will ich, wo es beim Namen ruft – und das Leben kehrt zurück
wie am Ostermorgen, als Maria beim Namen gerufen wird
und das Leben zurückkehrt.
Das Wort, das Gott ist. Lebensruf.

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