Palmsonntag 2023
Als sie sich Jerusalem näherten und nach Betfage am Ölberg kamen, schickte Jesus zwei Jünger aus und sagte zu ihnen:
Geht in das Dorf, das vor euch liegt;
dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr.
Bindet sie los und bringt sie zu mir!
Und wenn euch jemand zur Rede stellt, dann sagt:
Der Herr braucht sie, er lässt sie aber bald zurückbringen.

Jesus inszeniert.
Oder der Evangelist, der so überliefert, inszeniert.
Spannung steigt.
Wir wissen um das große Finale.
Die Jünger hier noch nicht. Zumindest nicht um das Finale, das wir kennen.
Sie erwarten etwas anders. Sie hoffen.
Sie haben ihre Vorstellungen von Jesus.
Dem Retter. Dem Hoffnungsträger. Dem gemachten Mann.
Der sagt, was Sache ist.
Der endlich aufräumt.
Gleich im Anschluss erzählt Matthäus ein Beispiel:
Die Tempelaustreibung.
Jesus stößt die Tische der Geldwechsler
und die Stände der Taubenhändler um und sagt zu ihnen:
Es steht geschrieben: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes genannt werden. Ihr aber macht daraus eine Räuberhöhle.
So vieles hat sich eingeschlichen in die Gebetsräume,
in die Religion selbst.
Feilschen und Handeln, der Blick auf Verdienste,
schmutzige Geschäfte.
Der Einzug des Geldes, der Käuflichkeit und der Korruption,
die Macht der Reichen, die Macht derer, die behaupten:
Gott will das so.

Jesus erleben diejenigen, die mit ihm unterwegs sind, anders.
Die Niedrigen und die Niedergemachten hebt er auf den Thron,
die Mächtigen stürzt er.
Das muss doch, das wird alle überzeugen,
davon gehen sie fest aus.
Wann, wenn nicht jetzt, wird die große Erfolgsgeschichte beginnen,
und sie sind dabei, schreiben mit daran.

Das ist geschehen, damit sich erfüllte,
was durch den Propheten gesagt worden ist:
Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir.
Er ist sanftmütig, und er reitet auf einer Eselin
und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers.

Dem Esel kommt eine tragende Rolle zu.
Jesus kommt nicht hoch zu Roß, ein Esel trägt ihn,
anders als bei einem Pferd bleiben darum seine Füße nah am Boden,
Er verliert die Bodenhaftung nicht.

Matthäus erinnert an den Propheten und damit an die schwierigen Zeiten,
in denen er lebte.
Nach der Verschleppung des Volkes Israel nach Babylon
war es schwierig, in der alten Heimat wieder Fuß zu fassen.
Von wegen Frieden.

Aber wann je sind die Zeiten nicht schwierig?
Wann je ist der Traum von der Sanftmut erfüllt,
dass sie sich vollends ausgebreitet hat über diese Welt
und in den Herzen eines jeden Menschen?

Und wie beginnt der Frieden?
Im Reiten auf hohen Rössern? Im Abheben einzelner?
Im Regieren von oben herab?

Jesus auf der Eselin – das ist kein machtvoller König –
sagen wir.
Und hoffen doch so oft auf Machtwörter, ein machtvolles Eingreifen,
auf das Niederschlagen aller, die nur die eigene Macht im Sinn haben.

Die Jünger gingen und taten, wie Jesus ihnen aufgetragen hatte.
Sie brachten die Eselin und das Fohlen,
legten ihre Kleider auf sie und er setzte sich darauf.
Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf dem Weg aus,
andere schnitten Zweige von den Bäumen
und streuten sie auf den Weg.

Was nutzen die Kleider, die abgeschnittenen Zweige?
Was bedeutet ein noch so besonderer Empfang,
wenn man im Grunde sich selbst und seine Erwartung feiert?
Wer von den Zweige Streuenden will Jesus
und nicht die gemachte Vorstellung von ihm?

Die Leute aber, die vor ihm hergingen und die ihm nachfolgten, riefen: Hosanna dem Sohn Davids!
Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn.
Hosanna in der Höhe! 
Wir wissen, wie es weitergeht.
Der Jubel hält nicht an.
Aus den vielen Likes wird ein tödlicher Shitstorm.
Denn dieser ist nicht wie ein Davids Sohn:
Kein Krieger, kein Taktierer, kein Mörder.
Er nimmt kein Schwert in die Hand.

Die ihm nachfolgen finden keinen Weg in die Paläste dieser Welt,
nicht in die Pfarr- und Bischofshäuser.
Es gibt keine Sicherheiten, keine Garantien,
es gibt noch nicht mal Gottesgewissheit.
Aber es gibt die unerschütterliche Idee,
dass Gott an der Seite der Schwachen ist, der durch die Raster fallenden,
der Armen und Traurigen, der Sünderinnen und Sünder.
Es gibt die unerschütterliche Idee,
dass das Herz zählt, die Liebe,
nicht der äußere Schein, nicht das Ansehen bei Menschen,
nicht das Mann sein.

Als er in Jerusalem einzog, erbebte die ganze Stadt und man fragte:
Wer ist dieser?
Die Leute sagten: Das ist der Prophet Jesus von Nazaret in Galiläa.

Die ganze Stadt erbebt.
Die Stadt, die auf anderen Fundamenten gebaut ist,
sie gerät ins Wanken.
Sie zittert und erschrickt wie damals schon,
als mit König Herodes ganz Jerusalem erschrak,
weil Sterndeuter sich nach dem neugeborenen König erkundigten.
Alles steht auf dem Spiel.

Will ich das?
Erbeben? Wanken der eigenen Fundamente?
Sag ich nicht auch: Bleib mir vom Hals?
Nicht mit mir?
Ein paar Zweige gehen, ein paar Gaben, ein paar fromme Augenblicke.
Das muss genügen.

Denn alles weitere hätte Konsequenzen,
es blieb kein Stein auf dem anderen.

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