C 27 2022 Lk 17,5-10
Ich vermute, dass es manchen ähnlich geht:
Ich kann nicht mehr jeden Tag die Nachrichten hören oder sehen,
es macht wahnsinnig, alle Probleme und Krisen
wahrzunehmen und auszuhalten.
Komplizierte Themen, vieles miteinander verbunden,
Gefühle von Ohnmacht, Überforderung und Angst stellen sich ein.
Grenzerfahrungen schon für uns, geschweige denn für die Menschen,
die kriegerische Gewalt oder Klimawandel am eigenen Leib erfahren.

Wir hören im heutigen Evangelium die Bitte der Jünger an Jesus:
Stärke unseren Glauben.
Und seine Antwort:
Hättet ihr auch nur geringen Glauben, dann wäre alles anders.
Ist das ein Vorwurf?
Im Markusevangelium sagt Jesus zu einem Mann,
der ihn bittet, seinen Sohn von einer schrecklichen Krankheit zu heilen:
„Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“?
Und wenn es also nicht möglich ist, dann mangelt es an Glauben?

In dieser Woche wurde in den Alltagslesungen in den Gottesdiensten
aus dem Buch Hiob gelesen.
Da war am Mittwoch zu hören:
„Zieht Gott an mir vorüber, ich sehe ihn nicht,
fährt er daher, ich bemerke ihn nicht.
Rafft er hinweg, wer hält ihn zurück?
Wer darf zu ihm sagen: Was machst du da?
Wie sollte denn ich ihm Antwort geben, wie meine Worte gegen ihn wählen? Und wäre ich im Recht, ich könnte nicht antworten,
um Gnade müsste ich bei meinem Richter flehen.
Wollte ich rufen, würde er mir Antwort geben?
Ich glaube nicht, dass er auf meine Stimme hört.“
Und dann folgt noch ein weiterer Satz,
der in der Bibellesung der Messfeier ausgelassen ist,
aber direkt im Anschluss steht:
„Er, der im Sturm mich niedertritt, ohne Grund meine Wunden mehrt,
er lässt mich nicht zu Atem kommen, er sättigt mich mit Bitternis.“

Mich sprechen diese Worte an.
Wie froh bin ich, dass auch diese in der Bibel stehen,
dass ich Klageworte höre, Worte der Enttäuschung und Trauer,
dass ich merke: Ich bin mit meinem Empfinden nicht allein;
auch als glaubender oder um Glauben ringender Mensch
darf man so sprechen.
Biblisch bezeugt ist nicht nur die Gottesnähe, auch die Gottesferne,
biblisch bezeugt sind auch Worte, die Gott selbst anklagen,
ihn verantwortlich sehen für Wunden und Atemlosigkeit.

Weiterhin geht mir eine Formulierung nach
aus einem Gespräch mit einem Hochschulseelsorger,
den ich nach seiner Arbeit fragte,
was sie denn mit den Studierenden machen.
Sie hätten – so sagte er – natürlich das ein oder andere Angebot,
aber grundsätzlich wäre ihre Devise: Präsenz statt Programm.
Auch das spricht mich an.
Ist es nicht letztlich das, was zählt, was wir suchen:
Dass Menschen da sind, Zeit haben, zuhören, gegenwärtig sind?

Neben der Erfahrung von Gottesferne, der Erfahrung nicht nur des Hiob,
der niederschreibt:
„Ich glaube nicht, dass er auf meine Stimme hört“ hoffen wir,
dass wir Präsenzerfahrungen Gottes machen dürfen.
Denn erst kommt die Präsenz, dann das Programm.
Erst kommt die Erfahrung von Gegenwart, dann kommen die Worte.
Schließlich beginnt unser aller Leben so:
Bevor wir verstehen, bevor wir hören, bevor wir Worte umsetzten können,
schmiegen wir uns an, saugen wir Wärme auf und Nähe.
Wir hatten nicht immer Verantwortung…

Wo bist du, anschmiegsamer Gott,
der mich Aufatmen lässt, die Angst nimmt und die Kälte?
Der sagt: Komm zur Ruhe, und den müden Kopf in seine Hände nimmt,
allen Fragen zumindest für erholsame Augenblicke Schweigen verordnet?

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