5. Fastensonntag 2022 C Joh 8, 1-8
Menschen bringen eine Frau herbei,
für die sie sich eigentlich gar nicht interessieren.
Sie kommt ihnen für etwas ganz anderes recht,
sie benutzen sie, um Jesus herauszufordern,
um etwas gegen Ihn in der Hand zu haben.
Die Frau wird zum Opfer des Interesses der Schriftgelehrten und Pharisäer,
Jesus aus den Weg zu räumen, Er soll überführt werden.
Was aus der Frau wird, ist ihnen egal.
Schließlich haben sie das Gesetz des Mose, auf das sie sich berufen
und an das sie sich gebunden fühlen.
Sich selbst im Recht wägen kann für andere hart werden. Steinhart.
Wir erleben förmlich, wie diese Frau zu einer passiven Hauptfigur wird.
Sie sagt nichts, man will sie nicht hören,
man spricht über sie, als wäre sie gar nicht dabei.
Jesus durchschaut und deckt auf.
Er erkennt, wie hier jemand missbraucht wird,
und sagt erstmal gar nichts.
Wer nichts sagt, versucht Ruhe in eine aufgeheizte Situation zu bringen.
Statt einer schnellen Antwort bückt Er sich und schreibt auf die Erde.
„Was soll das denn?“ fragen wir – und sind irritiert.
Vielleicht ist es genau das, was Er erreichen will:
ablenken, eine Verschnaufpause ermöglichen, auf die Erde schauen.
Trägt sie uns nicht alle?
Sind wir nicht alle Kinder dieser einen Erde?
Hat irgendwer das Recht zu meinen,
sie oder er sei besser als die oder der andere?
Hat irgendwer das Recht, sich zu erheben, über jemanden zu stehen?
Hat irgendwer das Recht, das Leben eines anderen zu verletzen?
Kann es überhaupt irgendeinen Grund geben zu zerstören?
Gibt es bessere und schlechtere Menschen?
„Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein.“
Mit diesem Satz und mit der Irritation des auf die Erde Schreibens
verändert sich alles.
Diejenigen, die kurz davor sind, Steine in die Hand zu nehmen, merken,
dass sie selbst nur deshalb noch am Leben sind,
weil keiner nach ihnen mit Steinen geworfen hat.
Ihr Weggehen erscheint wie ein schweigendes Schuldeingeständnis.
Jesus überführt nicht die Frau, Er überführt die sie Anklagenden.
Er überführt die, deren Interesse es ist, Schuld festzuschreiben, zu besiegeln,
so dass die Beschuldigte aus der Nummer nicht mehr herauskommt.
Er überführt die, deren Interesse es ist,
eigene Schuld gar nicht in den Blick zu nehmen;
Er überführt die, deren Interesse es ist,
einen öffentlichen Beweis dafür zu haben,
wie Er sich gegen das Gesetz stellt.
Und Er bekundet damit Sein eigenes Interesse:
Nicht die Schuld festschreiben, sondern sie lösen,
der Menschen Blick auf die Schuld anderer weg lenken auf die eigene.
Alle, die nacheinander gehen und Jesus mit der Frau zurücklassen,
merken, dass sie gern das Gesetz mit Blick auf andere anwenden,
nicht aber mit Blick auf sich selbst;
sie merken, dass sie sich für sich selbst für Gnade entschieden haben,
bei anderen nicht.
Jesus banalisiert nicht, was im Leben dieser Frau
wie im Leben all jener, die fortgehen, Bruch und Sünde ist.
Und Er bricht das über jemanden reden auf und spricht mit der Frau.
Sie ist nicht mehr Objekt, sie wird zur Angesprochenen.
Ihr kann Er sagen: Auch ich verurteile dich nicht.
Denen, die weggehen, kann Er es nicht sagen,
denn sie sind mit ihrem Weggehen unerreichbar.
Ob es darum wirklich ein schweigendes Schuldeingeständnis darstellt,
dass sie gehen, scheint fragwürdig.
Vielleicht ist es eher ein peinlicher Rückzug des nicht weiter Kommens;
man wird neu überlegen müssen,
wie man diesem Mann das Handwerk legen kann,
und wie man es so aussehen lassen kann,
als hätte man das Gesetz, als hätte man Gott selbst auf seiner Seite.
Im Grunde suchen sie, wie sie sich selbst halten und erhalten können.
Warum gibt es heute immer noch diese Doppelmoral in der Kirche?
Es gibt Tage, da finde ich es unerträglich.