B 27 2021 Mk10, 2-12
Und wieder wollen Pharisäer Jesus versuchen.
Dazu scheint ihnen alles recht zu sein.
Dieses mal wählen sie die Ehe.
Begonnen wird ein Streitgespräch „über“, nicht mit Betroffenen.
Wie viele Gespräche würden anders verlaufen,
zu anderen Ergebnissen führen,
wenn nicht über sondern mit Menschen gesprochen würde…
Aber das ist hier seitens der Pharisäer nicht gewollt,
es geht ihnen nicht um die Menschen;
sie wollen einfach Fakten sammeln, mit denen sie Jesus verurteilen können.

Über etwas, über Menschen reden ist immer einfach:
die so Redenden wägen sich zumeist auf der Seite der besser Wissenden.
Sie wissen, wo es lang zu gehen hat.
In der aufgeworfenen Frage der Entlassung aus der Ehe
hat man schließlich das Gesetz des Mose.
Dieses besagt: der Mann konnte sich scheiden lassen, die Frau nicht.
Denn Frauen heirateten auch nicht, sondern wurden geheiratet.
Hochzeit, Scheidung und Wiederheirat
wurden aus männlicher Sicht gehandhabt.
Der Mann hat das Sagen.
Gefiel ihm seine Frau nicht mehr, bekam sie keine Kinder
oder hatte er irgendetwas auszusetzen,
regelte die Scheidungsurkunde des Mose wenigstens,
dass Frauen nicht einfach verstoßen oder willkürlich behandelt wurden.
Hinzu kommt, dass Liebe in den meisten Fällen
nicht der Grund zur Heirat war.
Der Einfluss der Familie war oftmals größer, die Absicherung der Frau,
die Zeugung von Nachkommenschaft.
Und dass die Männer entscheidend waren, wird heute noch deutlich daran,
dass die Frau meistens den Namen des Mannes annimmt.
Die Familie ist die des Mannes.

Ehe ist darum nicht gleich Ehe.
Selbst wenn Jesus auf den Anfang der Schöpfung verweist,
versteht die Bibel nicht das unter Ehe, was wir heute darunter verstehen.
Wir wissen von Abraham und seiner Frau Sarah,
die zunächst keine Kinder bekommen konnte
und die Abraham dann zur Magd Hagar schickt.
Wir hören von König David und seinen neun Ehefrauen,
und dann gibt es noch die zahlreichen Nebenfrauen;
von Salomo sind 700 Ehefrauen und 300 Nebenfrauen überliefert.
Nein: Ehe ist nicht gleich Ehe.
Über Jahrhunderte hin regelte sie vor allem Geburten und Kindererziehung
und verband unterschiedliche Clans miteinander.
Darüber hinaus ließ einzig die Abhängigkeit der Frauen von den Männern
so manche Ehe halten.

Das Bild Jesu von der Ehe ist ein anderes.
Wenn Er an den Anfang der Schöpfung erinnert,
erinnert Er daran, dass Gott Frau und Mann zusammen führt.
„Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen.“

Und woran erkenne ich, was Gott verbindet?
Sind die zusammen gefügten Clans die Verbindungen Gottes?
Die Abhängigkeiten der Frauen von den Männern?
Aus den vielen Geschichten, die sich von der Ehe,
ihrem Gelingen und ihrem Scheitern,
ihren Versklavungen und ihren unmenschlichen Rollenverständnissen
erzählen lassen,
ergibt sich für mein Empfinden absolute Zurückhaltung im Bewerten,
geschweige denn im Verurteilen von Ehen und deren Scheitern
und Neuanfängen.
Denn wir dringen hier in die Verletzlichkeit
und in die Wunden von Menschen ein.

Wenn eins der Umgang Jesu mit den Menschen,
wenn eins uns das Kreuz Jesu sagt,
dann dass der Weg in ein neues Leben
bei den Wunden und Verwundungen ansetzt und ansetzen muss.
Auf der zweiten Vollversammlung des Synodalen Weges
hat Bischof Overbeck – dies allerdings in Abgrenzung zu einer Vorrede –
stark ins Wort gebracht.
Er sagte, die Kirche sei nur dann Licht der Welt,
wenn sie die Tränen der Betroffenen ernst nehme.
Deshalb könne man vom „Lehramt der Betroffenen“ sprechen.
„Es ist die Lehre, die sie in die Nähe Jesu rückt.
Das ist das einzige wirklich unfehlbare Lehramt

Einen solchen Weg eingehend, lässt nicht über Betroffene reden,
wie die Pharisäer es versuchen
und wie es uns auch in der Kirche immer wieder passiert,
sondern mit ihnen.
Und dieses Miteinander verändert alles.

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